Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
Lkws«. Dort gibt es Tausende von Einträgen. Doch als ich »Datsun« im Suchfenster eintippe, werden nur zweiundzwanzig aufgelistet.
Ich überfliege die Liste. Der dritte Eintrag von unten beschreibt einen Datsun Baujahr 1997. Er sticht heraus, weil er ein Jahrzehnt neuer ist als alle anderen Einträge. 1997 wurden keine Datsuns mehr hergestellt. Ich klicke darauf. Und da ist sie. Die letzte verzweifelte Botschaft meiner Eltern.
In der Gänze lautet der Eintrag folgendermaßen: »Datsun, 97er Baujahr, 15.550 Kilometer. Nur 2 Vorbesitzer. Bitte nachmittags zwischen 2 und 7 Uhr anrufen.«
»Wie kann ein Auto, das so alt ist, so wenige Kilometer zurückgelegt haben?«, fragt Ty.
Ich antworte nicht, weil ich damit beschäftigt bin, jede einzelne Zahl, die in dem Inserat vorkommt, aufzuschreiben: 97 15.550 2 2 7.
Er sieht genauer hin. »Und wie soll man da anrufen, wenn nicht mal eine Telefonnummer angegeben ist?«
»Die ganze Anzeige ist praktisch eine Telefonnummer!«, erkläre ich ihm, während ich mir mein Handy schnappe und 9715550227 eintippe. »Meine Eltern haben versucht, mir mitzuteilen, wie ich Kontakt mit ihnen aufnehmen kann.« Mein Herz hämmert, als ich die letzte Ziffer eintippe. Das Telefon klingelt nur ein Mal und schaltet dann auf die Ansage auf der Mailbox. Es ist eine Männerstimme, die die Telefonnummer wiederholt, die ich gerade gewählt habe, gefolgt von einem Piepton.
Aber ich erkenne diese Stimme.
Ich versuche, etwas zu sagen, aber die Worte bleiben mir in der Kehle stecken.
»Dad? Dad? Ich bin es, Cady. Es geht mir gut. Ich hoffe, euch auch. Es ist jetzt, ähm, achtzehn Uhr. Ruft mich zu Hause an. Okay, bitte, ruft bald an. Ich hab euch lieb.«
Ich drücke auf eine Taste, um den Anruf zu beenden. Ich widerstehe der Versuchung, die Nummer noch mal zu wählen, nur um die Stimme meines Dads wiederzuhören.
Werde ich sie je wieder hören?
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TAG 2, 19:41 UHR
A ls das Telefon klingelt, zucke ich zusammen. Ty und ich wechseln einen Blick und beugen uns dann vor, um auf die Anruferkennung zu schauen. Auf dem Display steht nur eine Nummer, aber es ist nicht die, die ich gewählt habe. Das Herz klopft mir bis zum Hals. Was, wenn das Kirk Nowell ist? Mit zittriger Hand gehe ich ans Telefon.
»Hallo?« Ich lasse meine Stimme tiefer und barscher klingen.
»Cady?« Meine Mom klingt misstrauisch. »Bist du das?« Als ich sie höre, schmelze ich förmlich dahin. »Mom!« Sie ist weiterhin vorsichtig. »Was hat dir Grandma letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt?« Ich höre die Anspannung in ihrer Stimme.
Mom ist bestimmt schon klar, dass ich das bin. Warum fragt sie dann? Nur ich und meine Eltern würden die richtige Antwort auf diese Frage kennen. Grandma selbst würde sich wahrscheinlich gar nicht mehr daran erinnern. Aber wenn ich Mom eine falsche Antwort geben würde, wüsste sie, dass etwas nicht in Ordnung ist.
»Extra große Strumpfhosen.« Meine Grandma ist für ihre verrückten Geschenke bekannt, die sie für gewöhnlich auf Garagenflohmärkten kauft. Ich hole tief Luft. »Geht es Dad und Max gut?«
»An und für sich schon.« Bevor ich Mom fragen kann, was das heißen soll, sagt sie rasch: »Du musst wissen, dass jemand behaupten wird, deine Tante zu sein. Sie nennt sich Elizabeth Quinn, aber ihr richtiger Name ist Elizabeth Tanzir.«
»Mom, das wissen wir schon. Sie sitzt gefesselt hier bei uns zu Hause, zusammen mit Michael Brenner.«
»Moment mal! Was? Und was heißt hier ›wir‹?«
Ty beugt sich vor, um mitzuhören. Ich halte das Telefon einen halben Zentimeter von meinem Ohr weg. »Da ist dieser Junge namens Ty, den ich in Bend kennengelernt habe. Er hilft mir.«
»Okay«, sagt sie gedehnt. »Vielleicht solltest du ganz von vorne anfangen. Erzähl mir alles, was passiert ist.«
Ich erzähle ihr eine noch kürzere Version, als ich Elizabeth gegeben habe, nur dass diese Fassung meinen doch-nicht-ganz-so-tödlichen Angriff auf Brenner beinhaltet sowie Officer Dillow, »Tante« Liz’ doppeltes Spiel und Brenners gebrochenen Ellbogen. Ich berichte ihr von meiner Amnesie, lasse aber die gezogenen Fingernägel aus, weil ich weiß, dass Mom dann ausflippen würde. Am Ende sage ich: »Und jetzt sind beide in eurem Schlafzimmer gefesselt.«
»Besser, du schaust ab und zu nach ihnen«, sagt Mom. »Vor allem nach Elizabeth. Und glaub nichts von dem, was sie sagt.«
»Mach dir keine Sorgen. So gut haben wir uns schon kennengelernt.« Ich hole tief Luft. »Was hast du damit gemeint,
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