Never forget - das Mädchen, das sich nicht erinnern durfte
Bruder umgebracht habt. Wie konntet ihr nur ein dreijähriges Kind töten?« Ich widerstehe dem Impuls, mit dem Gemüsemesser zuzustechen, um zu sehen, wie weit es in ihren Hals dringen würde. Stattdessen bricht meine Stimme. »Was hat euch Max getan? Hättet ihr ihn nicht einfach fesseln können?«
»Wovon redest du da?« Tys Hände schließen sich fester um die Waffe. »Sie haben deinen kleinen Bruder umgebracht?«
»Alles ist so passiert, wie Elizabeth gesagt hat. Nur dass sie ein winziges Detail ausgelassen hat. Dass sie meinen Bruder getötet haben. Sie haben mir gedroht, mich ebenfalls umzubringen, wenn ich ihnen nicht verraten würde, wo meine Eltern sind oder wo sie die Informationen über den Impfstoff versteckt haben. Sie glaubten, mich dadurch zum Reden zu bringen. Stattdessen haben sie diesen Amnesie-Zustand bei mir ausgelöst.«
Elizabeths Lachen klingt wie ein rostiges Scharnier. »Das menschliche Gehirn ist sehr manipulierbar. Hast du jemals dieses Spiel an Halloween gespielt? Das, bei dem du die Hände in eine Schüssel mit geschälten Weintrauben hältst und man dir sagt, es wären Augen?«
»Was?« Meine Kopfschmerzen kommen mit voller Wucht zurück. Warum redete sie von Feiertagen und Spielen?
»Wir haben deinen Bruder nicht. Wir hatten ihn nie. Ich habe keine Ahnung, ob er am Leben ist oder nicht, aber wenn er tot ist, dann haben wir nichts damit zu tun.«
»Ich habe seine kalte Hand berührt!«
»Du hattest einen Kissenbezug über dem Kopf. Was du berührt hast, war ein Schimpanse.«
Mir will nicht in den Kopf, was sie da sagt. »Was?«
»Als klar wurde, dass du nicht kooperieren willst, ließ mich Kirk eines unserer toten Exemplare hierher bringen. Er war sich sicher, dass dich das brechen würde. Aber er hat dich damit nur um den Verstand gebracht. Selbst als sie dich in der Hütte noch weiter unter Druck gesetzt haben, wolltest du nichts sagen. Und nachdem sich deine Eltern nicht auf einen Handel mit Kirk eingelassen haben, na ja, ab da warst du einfach nur noch lästig.«
Wem war ich lästig?, frage ich mich wie betäubt. Meinen Eltern ebenso wie den Leuten von Z-Biotech? Ich kann mich nicht genug zusammenreißen, um Fragen zu stellen. Mir ist ganz schwindlig. Max war tot und jetzt ist er wieder am Leben. Oder doch nicht? Elizabeth behauptet, meine Eltern hätten mich den Gangstern von Z-Biotech überlassen. Vielleicht sind meine Eltern aber auch nicht gekommen, um mich zu holen, weil sie das nicht konnten. Ist ihnen etwas zugestoßen, etwas, von dem die Leute von Z-Biotech noch nichts wissen?
»Wer ist Kirk?«, fragt Ty.
»Kirk Nowell. Unser Firmenchef.«
»Sie wurde vom Firmenchef von Z-Biotech gefoltert?« Ty klingt ungläubig.
Elizabeth zuckt mit den Schultern. »Die Firma war dabei, den Bach runterzugehen, als wir sie aufgekauft haben. Es brauchte jemanden mit Visionen, um zu sehen, was mit dem Rohmaterial anzufangen ist. Kirk war dieser Jemand. Manchmal heiligt der Zweck eben die Mittel und in diesem Fall bestand der Zweck darin, eine Menge Geld zu machen.«
»Wie wollten Sie es denn ausgeben?«, fragt Ty. »Geld ist nicht besonders nützlich, wenn man im Gefängnis sitzt.«
Sie lächelt herablassend. »Hast du eine Ahnung, wie viele Länder kein Auslieferungsabkommen mit den USA ausgehandelt haben? Davon gibt es ein halbes Dutzend – alle mit geringen Lebenshaltungskosten und wunderschönen Stränden. Orte, an denen man mit ein wenig amerikanischem Geld ziemlich weit kommt und wo man bereit ist, ein Auge zuzudrücken, wenn man die richtigen Leute schmiert.«
»Wo ist Kirk jetzt?«, frage ich. »Weiß er, dass ihr hier seid?«
»Meine Aufgabe bestand darin herauszufinden, was du weißt, und mich dann um dich zu kümmern. Es so aussehen zu lassen, als hättest du den Jungen, den du manipuliert und dazu gebracht hast, dir zu helfen, getötet und hinterher Selbstmord begangen.« Trotz der Pistole und des Messers, die auf sie gerichtet sind, lächelt Elizabeth. »Und Kirk rechnet damit, dass wir in Kürze Bericht erstatten.«
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TAG 2, 19:02 UHR
I ch wünschte, ich könnte ungeschehen machen, dass ich Brenner den Arm gebrochen habe. Das hat ihn zwar gefügig gemacht wie ein ein Meter achtzig großes Kleinkind, aber auch genauso weinerlich und wehleidig. Ty meint, dass ein gebrochener Ellbogen als eine der schmerzhaftesten Verletzungen überhaupt gilt, wegen all der Nerven und Venen, die durch dieses Gelenk verlaufen. So wie Brenner sich aufführt, glaube ich das auch.
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