Never Knowing - Endlose Angst
Mutter – in dem Artikel steht, sie sei Professorin?«
»Ja. Sie will nichts mit mir zu tun haben.« Ich wandte den Blick ab und blinzelte heftig.
»Sie meint es nicht persönlich, Sara.« Moms Stimme klang sanft. »Jede Mutter wäre stolz, dich zur Tochter zu haben.«
Meine Augen füllten sich mit Tränen. »Es tut mir
wirklich
leid, Mom. Ich hätte es euch erzählen sollen, aber ich wollte nicht, dass du mich für undankbar hältst oder so etwas. Du bist eine wunderbare Mutter.« Das war kein bloßes Lippenbekenntnis. Mom hat jedes Kunstwerk geliebt, das wir zu Hause anschleppten, jedes Kostüm, das sie in letzter Minute fertigmachen musste, jede zerrissene Lieblingsjeans, die nur sie flicken konnte. Mom liebte es, Mutter zu sein. Ich habe sie nie gefragt, aber ich war sicher, dass sie diejenige war, die eine Adoption gewollt hat. Und ich würde jede Wette eingehen, dass Dad es nur für sie getan hat.
»Ihr werdet immer meine richtigen Eltern bleiben – ihr habt mich großgezogen. Ich war einfach nur neugierig auf meine Geschichte. Aber als ich das mit meinem biologischen Vater herausgefunden habe, dachte ich, dass ihr es vielleicht gar nicht wissen wollt.« Ich sah meinen Dad an, dann wieder sie. »Ich wollte euch nicht aufregen.«
Mom sagte: »Wir machen uns Sorgen und haben Angst um dich, aber es wird
niemals
etwas an unseren Gefühlen für dich ändern.«
Ich blickte erneut zu Dad. Er nickte, doch seine Miene war kühl.
Ich sagte: »Evan ist mit dem Boot draußen, aber ich werde ihm sagen, dass die Sache im Internet steht, sobald ich zu Hause bin.«
Dad sagte: »Der Artikel ist weg, aber wir werden diese Bastarde trotzdem verklagen.«
Ich ließ den Kopf gegen die Rückenlehne des Sessels sinken und atmete aus. Alles würde gut werden. Einen Moment lang fühlte ich mich beschützt – Dad hatte sich tatsächlich für mich eingesetzt.
Doch dann sagte er: »Diese Volltrottel hätten meinen Firmennamen aus dem Spiel lassen sollen«, und ich wusste, was er wirklich schützte.
Ich verspürte erneut einen Stich meines schlechten Gewissens, als ich sah, wie Mom ihre Hand gegen den Bauch drückte und das Gesicht verzog. Dad hatte es ebenfalls bemerkt, und sein Blick wurde hart, als er mir ins Gesicht sah. Er brauchte die Worte nicht auszusprechen. Er hatte sie viele Male gesagt, auf vielen Wegen. Aber die stummen Botschaften hatten mich schon immer am härtesten getroffen.
Sieh dir an, was du deiner Mutter angetan hast
.
Mom begann, über die Hochzeit zu reden, aber die Unterhaltung war gezwungen. Melanie und ich ignorierten einander kategorisch.
Schließlich sagte ich: »Ich muss Ally ins Bett bringen.« Als ich nach draußen ging, um sie hereinzurufen, folgte Lauren mir und schloss die Tür hinter sich.
»Tut mir leid, dass ich es Dad erzählt habe, aber er hat mich gefragt, ob ich etwas weiß, und ich wollte ihn nicht belügen.«
»Ist schon in Ordnung. War er sauer auf dich, weil du das Geheimnis für dich behalten hast?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, er macht sich einfach nur Sorgen.«
»Hast du deshalb meine Anrufe ignoriert?«
»Ich wollte nicht zwischen die Fronten geraten.« Sie sah elend aus. »Es tut mir leid.«
Ich wollte auch nicht, dass sie zwischen die Fronten geriet. Ich wollte, dass sie auf meiner Seite stand, aber das würde niemals geschehen. Als wir Kinder waren, versteckte Lauren sich immer in ihrem Zimmer, sobald Dad zu einer Tirade gegen mich anhob. Später kam sie dann heraus und half mir bei der Hausarbeit, aber irgendwie fühlte ich mich dadurch nur noch mehr allein.
»Du hast Melanie nichts von meinem richtigen Vater erzählt, oder?«
»Natürlich nicht!«
Also hatte Melanie gelauscht und es vermutlich Kyle erzählt, und der hatte es dann Gott weiß wem erzählt. Jetzt konnte ich nichts mehr dagegen unternehmen.
Auf der Fahrt nach Hause war ich etwas ruhiger, aber ich machte mir immer noch Sorgen, wie viele Menschen den Artikel gelesen haben mochten, ehe er von der Seite genommen worden war. Dann dachte ich daran, wie Mom gesagt hatte, sie würden sich sorgen und hätten
Angst
. An einer roten Ampel hielt ich an und konzentrierte mich auf diesen Augenblick. Dads angespanntes Gesicht, die Besorgnis in Moms Blick – da war irgendetwas, was beide gedacht, aber keiner ausgesprochen hatte. Was war mir entgangen? Dann machte es Klick.
Der Campsite-Killer könnte den Artikel gelesen haben.
Ich merkte nicht, dass ich immer noch an der Ampel stand, bis das
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