Never Knowing - Endlose Angst
Auto hinter mir hupte und Ally sagte: »Mommy, fahr!« Den Rest der Strecke fuhr ich wie unter Betäubung. Ich war so damit beschäftigt gewesen, mich selbst zu verteidigen, hatte mich so vor der Wut meines Vaters gefürchtet, dass ich den Punkt übersehen hatte, vor dem ich am meisten Angst haben sollte. Wenn der Campsite-Killer den Artikel gelesen hatte, wusste er nicht nur, dass ich in Nanaimo wohnte, er kannte auch meinen Namen.
Sobald wir zu Hause waren, setzte ich Ally in die Badewanne. Anschließend las ich ihr eine Geschichte vor, aber ich verhaspelte mich andauernd und verlor die Stelle auf der Seite, an der ich gerade war. Ich musste mit Evan reden. Sobald Ally eingeschlafen war, versuchte ich ihn zu erreichen, aber er ging nicht an sein Handy. Ich wickelte mich auf dem Sofa in eine Decke, sah Fernsehen, ohne etwas davon aufzunehmen, und wartete darauf, dass Evan zurückrief. Gerade als ich aufgeben und ins Bett gehen wollte, klingelte das Telefon. Ehe er fragen konnte, was los sei, fragte ich ihn, wie sein Tag gewesen sei.
»Wir haben eine Herde Buckelwale gefunden, und die Gruppe war glücklich.« Evans Lodge befindet sich an der abgelegenen Westküste der Insel, ideal für Kajaktouren, Angelausflüge und Whale Watching.
»Das ist ja klasse.«
»Aber ich freue mich auch, am Wochenende nach Hause zu kommen …« Er knurrte anzüglich, und ich versuchte, es ihm gleichzutun, schaffte es aber nicht.
Also holte ich tief Luft und spuckte es aus. Zuerst erzählte ich ihm, dass ich Julia eine Nachricht hinterlassen hatte und von ihrem schrecklichen Rückruf, dann, dass ich es Lauren erzählt hatte, und schließlich, dass die Geschichte im Internet gelandet war. Er nahm es besser auf, als ich gedacht hatte, viel besser, als ich es getan hätte – was keine Überraschung war.
»Da kommt schon nichts nach«, sagte er.
»Aber die Leute sind besessen von Serienmördern – die Hälfte aller Bücher und Filme handelt davon. Wenn die rausfinden, dass ich seine Tochter bin …«
»Du weißt, wo die Schrotflinte ist und der Schlüssel für das Abzugsschloss …«
»Die Schrotflinte!«
»Du schaffst das schon. Diese Website kann nicht viele Leser haben.«
»Was, wenn
er
es gelesen hat?«
»Der Campsite-Killer?« Er schwieg einen Moment. »Nee, der liest doch bestimmt keinen Blog aus Nanaimo.«
»Glaubst du wirklich, dass alles wieder gut wird?«
»Ja, das glaube ich. Lass den Anwalt deines Dads sich um alles kümmern.«
»Ich bin nur total erschrocken.«
Seine Stimme wurde weicher. »Ich bin bald wieder zu Hause.«
Ehe ich an diesem Abend ins Bett fiel, musste ich einfach noch mal auf der Website nachsehen und stellte erleichtert fest, dass der Artikel immer noch fort war. Ich suchte auch schnell bei Google, fand jedoch nichts. Überzeugt, dass Evan recht hatte, legte ich mich schlafen – es würde nichts nachkommen. Eigentlich war es sogar gut, dass es geschehen war, denn auf diese Weise war die Sache zwangsläufig ans Licht gekommen, und meine Familie wusste jetzt davon. Irgendetwas für mich zu behalten war noch nie meine Stärke.
Am nächsten Morgen sang Ally Elch ein Lied vor, den Mund voll Toast mit Erdnussbutter. Ally und ich sind beide süchtig nach Erdnussbutter, es ist unglaublich, wie viele Gläser wir verbrauchen. Nachdem ich sie zur Schule gebracht hatte, machte ich mir einen Kaffee und verschwand in der Werkstatt, um einen Kleiderschrank in Angriff zu nehmen. Innerhalb weniger Minuten ging ich ganz in der Arbeit auf und machte nicht einmal Mittagspause. Am Nachmittag beschloss ich endlich, eine Kleinigkeit zu essen und mir noch einen Kaffee zu holen. Ehe ich wieder in die Werkstatt ging, schlich ich mich nach oben, um noch einmal auf der Website
Nanaimo News
nachzuschauen. Der Artikel war immer noch weg. Für meinen Seelenfrieden startete ich bei Google noch eine Suche nach
Karen Christianson
. Dieses Mal wurde ein Haufen neuer Treffer angezeigt.
Ich setzte meine Tasse so hastig ab, dass der Kaffee über den Rand schwappte, und klickte auf den ersten Link. Er führte zur Seite eines Fanclubs für Serienmörder in den Staaten. Im Forum hatte jemand mit dem Namen »Dahmersdinner« gepostet, dass Karen Christianson sich in Victoria verstecke und den Namen Julia Laroche benutze. Ihre Tochter, eine Frau namens Sara Gallagher, lebe in Nanaimo. Ich starrte auf den Bildschirm, mein Herz pochte laut in den Ohren. Es gab nichts, was ich dagegen tun konnte, keine Möglichkeit, es zu
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