Never Knowing - Endlose Angst
Raum verlassen.
Ich ging mit Elch raus, hoffte, auf diese Weise die nervöse Energie loszuwerden, die meinen Körper zum Summen zu bringen schien, doch am Ende hetzte ich doch bloß wieder nach Hause an meinen Computer. Der Artikel war immer noch da, als ich zu unserem Therapietermin aufbrach.
Ich versuche, mich damit zu beruhigen, dass schon nichts passieren kann, solange ich nichts zugebe. Dads Anwalt arbeitet für eine der besten Kanzleien in Nanaimo. Er wird dafür sorgen, dass der Artikel noch vor Ende des Tages von der Seite verschwunden ist. Die Leute werden eine Weile reden, doch schließlich wird irgendetwas anderes interessanter werden. Ich muss einfach nur abwarten.
Doch ich habe das Gefühl, dass mich etwas Schlimmeres erwartet.
4. Sitzung
Gott sei Dank konnten Sie mich dazwischenschieben – ich weiß, ich war erst gestern hier, aber wenn ich so panisch bin wie im Moment, dreht sich in meinem Kopf einfach alles nur noch im Kreis. Das Einzige, woran ich denken konnte, war, dass ich hierherkommen musste. Sie müssen mir helfen, mich zu beruhigen, denn wenn heute noch eine Sache passiert, flippe ich völlig aus.
Als ich mein Haus für den Familienrat verließ, war meine Stimmung sogar noch mieser. Es wurde auch nicht gerade dadurch besser, dass ich einen hitzigen Streit mit einer Sechsjährigen hinter mir hatte, der es nicht gefiel, dass der Plan sich geändert hatte.
»Du hast gesagt, wir machen Pfannkuchen zum Abendessen. In verschiedenen Formen, so wie Evan sie macht.« Sie klang verunsichert. Ally geht stets sehr methodisch vor, und jede Entscheidung bedarf gründlicher Überlegung, was entzückend ist, wenn sie ihre kleine Zunge aus dem Mund schiebt und überlegt, was sie Elch von ihrem Geburtstagsgeld kaufen soll, aber ein absoluter Albtraum, wenn wir uns aus irgendeinem Grund beeilen müssen.
»Ich habe nicht genug Zeit, Allymaus. Wir machen uns eine Hühnersuppe.«
Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. »Aber du hast es versprochen.«
Ein anderer Aspekt von Allys Ordnungsliebe ist, dass sie immer genau wissen muss, was wir am Tag planen und was sie in jeder Situation zu erwarten hat. Wenn ich vom Plan abweiche oder, Gott bewahre, durch irgendeinen Teil des Tagesablaufs durchhetze, gerät sie leicht außer sich.
»Ich weiß. Es tut mir leid, aber heute geht es nicht.«
»Du hast es
versprochen
.« Ihr schrilles Wimmern ging mir durch und durch.
Ich wirbelte herum. »Nicht
heute
.«
Ihre dunklen Locken wippten, als sie zurück in ihr Zimmer rannte und die Tür zuknallte. Ich hörte etwas dagegenpoltern. Elch saß vor dem Zimmer und sah mich vorwurfsvoll an. Ich hörte sie nicht weinen, aber Ally weint selten – sie wirft eher mit irgendetwas, bevor sie auch nur eine Träne vergießt. Einmal habe ich gesehen, wie sie sich einen Zeh anstieß, sich anschließend umdrehte und dem Tisch, der sich diese Frechheit erlaubt hatte, einen Tritt versetzte.
Ich probierte den Türknauf. Er ließ sich drehen, aber etwas drückte gegen die Tür. Aha. Evan hat ihr beigebracht, ihren Stuhl unter den Knauf zu klemmen, falls jemand einzudringen versucht.
»Ally, ich möchte, dass du rauskommst, damit wir darüber reden können. Bitte.«
Stille.
Ich holte tief Luft. »Wenn du rauskommst, können wir einen anderen Tag in der Woche aussuchen, an dem wir Pfannkuchen machen – ich zeige dir ganz von vorne, wie man den Teig macht. Aber du musst draußen sein, wenn ich bis drei gezählt habe.«
Stille.
»Eins … zwei …«
Nichts.
»Ally, wenn du nicht
auf der Stelle
rauskommst, darfst du
eine Woche lang
nicht Hannah Montana sehen.«
Sie öffnete die Tür, ging mit verschränkten Armen und gesenktem Kopf an mir vorbei, ehe sie mir über die Schulter einen traurigen Blick zuwarf.
»Evan schreit mich
nie
an.«
Bei meinen Eltern wurde es auch nicht besser. Als ich vor ihrem Blockhaus am Stadtrand von Nanaimo parkte, standen Melanies Auto und Laurens SUV schon in der Auffahrt. Ally war bereits aus dem Cherokee gesprungen, Elch im Schlepptau. Ich marschierte zur Haustür, sämtliche Verteidigungsanlagen hochgefahren, obwohl ich wusste, dass es kein bisschen bringen würde.
Sie waren alle im Wohnzimmer. Melanie sah mich nicht an, aber Lauren schenkte mir ein zaghaftes Lächeln. Dads Gesicht war eine eherne Maske. Er saß in seinem Lehnsessel in der Mitte des Zimmers, trug wie üblich seine Arbeitsstiefel mit Stahlkappen, ein schwarzes T-Shirt und Red-Strap-Jeans, Klamotten, in denen jeder
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