Never Knowing - Endlose Angst
Der Raum war kahl bis auf einen langen Tisch und zwei Plastikstühle. Auf dem Tisch lagen ein Notizblock und ein Telefonbuch, daneben stand ein Telefon.
Sie ließ sich auf einem der Stühle nieder und lehnte sich zurück. Jetzt, da sie mich direkt ansah, konnte ich ihr Namensschildchen lesen: »S. Taylor, Constable.«
»Was kann ich für Sie tun?«
Ich hatte plötzlich das Gefühl, das, was ich im Begriff war zu sagen, würde sich zum Davonlaufen verrückt anhören. Ich würde ihr einfach die Fakten nennen und hoffen, dass sie mir glaubte.
»Mein Name ist Sara Gallagher. Ich wurde adoptiert und habe vor kurzem meine leibliche Mutter in Victoria gefunden. Danach habe ich einen Privatdetektiv angeheuert, der herausfand, dass sie Karen Christianson ist …«
Sie starrte mich ausdruckslos an.
»Sie wissen schon, das einzige überlebende Opfer des Campsite-Killers.«
Sie setzte sich aufrecht hin.
»Der Privatdetektiv glaubt, dass der Campsite-Killer mein Vater ist. Dann hat die Website
Nanaimo News
irgendwie Wind von der Sache bekommen, und jetzt ist es überall im Internet zu lesen. Gestern bekam ich einen Anruf von irgendeinem bescheuerten Teenie, der so tat, als sei er mein Vater. Und heute Morgen hat ein Mann angerufen, der ebenfalls behauptet hat, mein Vater zu sein. Aber der sagte, er hätte ihre Ohrringe.«
»Haben Sie die Stimme erkannt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was ist mit der Telefonnummer?«
»Die Vorwahl war irgendwas mit 250, dann kam 374 oder 376 oder so ähnlich. Ich habe alles aufgeschrieben, aber ich habe den Zettel vergessen, und …«
»Hat er gesagt, warum er Sie angerufen hat?«
»Er sagte, er wolle mich kennenlernen.« Ich verzog das Gesicht. »Ich weiß, dass das wahrscheinlich nur ein Witz ist, aber ich habe eine Tochter, und …«
»Hat Ihre leibliche Mutter bestätigt, dass sie Sie im Rahmen eines sexuellen Übergriffs empfangen hat?«
»Nicht mit diesen Worten, aber im Grunde ja.«
»Ich würde Ihre Aussage gerne aufnehmen.«
»Äh, klar. Natürlich.«
Sie stand auf. »Ich bin gleich wieder da.«
Während ich wartete, sah ich mich im Besprechungszimmer um und spielte an meinem Handy herum.
Die Tür wurde aufgerissen. Constable Taylor setzte sich, stellte einen kleinen Rekorder vor mich auf den Tisch und zog ihren Stuhl dichter heran. Sie nannte ihren Namen und das Datum, dann bat sie mich, meinen vollen Namen und die Adresse zu wiederholen. Mein Mund wurde trocken, und mein Gesicht fühlte sich heiß an.
»Ich möchte, dass Sie mir mit Ihren eigenen Worten erzählen, warum Sie denken, dass der Campsite-Killer Ihr biologischer Vater ist, und im Einzelnen die Telefonanrufe beschreiben, die Sie kürzlich erhalten haben.« Ihr ernster Tonfall machte mich nur noch nervöser, und mein Herzschlag beschleunigte sich.
Sie sagte: »Na los.«
Ich gab mir Mühe, doch ich schweifte immer wieder ab. Mit einem raschen »Und was sagte er als Nächstes?«, brachte die Polizistin mich wieder auf die richtige Bahn. Sie wollte sogar Julias Adresse haben und jede Information, die ich über sie hatte. Ich kam mir komisch vor, als ich ihr das Gewünschte sagte, weil ich die Informationen ja vor allem dadurch bekommen hatte, dass ich Julia nachspioniert hatte. Ich erzählte auch, dass wir gerade versuchten, den Privatdetektiv zu erreichen, und dass er ein ehemaliger Cop sei. Ihr neutraler Gesichtsausdruck änderte sich nie.
Als wir fertig waren, fragte ich: »Und was geschieht jetzt?«
»Wir werden der Sache nachgehen.«
»Aber glauben Sie denn
tatsächlich
, dass es der Campsite-Killer war?«
»Sobald wir mehr Informationen haben, werden wir es Sie wissen lassen. Jemand wird sich schon bald mit Ihnen in Verbindung setzen.«
»Was, wenn er noch einmal anruft? Soll ich meine Nummer ändern lassen?«
»Haben Sie eine Anruferkennung und einen Anrufbeantworter?«
»Ja, aber ich habe ein Geschäft, und …«
»Beantworten Sie keine Anrufe von unbekannten Nummern und lassen Sie den Anrufbeantworter die Anrufe aufzeichnen. Notieren Sie Nummer und Zeitpunkt und geben Sie uns so schnell wie möglich Bescheid.« Sie reichte mir ihre Visitenkarte, dann stand sie auf und ging zur Tür.
Wie betäubt folgte ich ihr den Flur entlang.
Zu ihrem Rücken sagte ich: »Aber meinen Sie nicht, dass es bloß jemand war, der mir Angst einjagen wollte? Und Sie müssen es nur ernst nehmen, weil es da diese Verbindung zum Campsite-Killer gibt?«
Sie blickte über die Schulter. »Ich kann nichts dazu
Weitere Kostenlose Bücher