Never Knowing - Endlose Angst
kann von dem nächsten Anruf abhängen. Was machen Sie im Moment?«
Ich biss die Zähne zusammen, um sie nicht anzuschnauzen, und sagte nur: »Ich muss Ally zur Schule bringen.«
»Sie ist
bei
Ihnen?« Ihre Stimme hob sich.
»Ich habe sie gerade zur Schule gefahren, aber er hat sie nicht gehört.«
»Wenn er herausfindet, dass Sie ihm nie gesagt haben, dass Sie ein Kind haben …«
»Das will ich auch nicht, Sandy … sie steht für mich an allererster Stelle. Und im Moment kommt sie zu spät zur Schule.«
»Bringen Sie sie hin, dann rufen Sie uns wieder an.«
»Also gut.« Ich spie die Worte aus.
Als ich wieder auf die Straße einbog, sagte Ally: »Geht es der Frau gut, Mommy?«
Ich hatte noch immer das Gespräch mit Sandy im Kopf und sagte: »Welcher Frau, Spatz?«
»Die, über die du mit deinem Kunden geredet hast. Du hast gesagt, dass sie vermisst wird.«
Mist, Mist, Mist.
Ich versuchte mir ins Gedächtnis zu rufen, was sie mitbekommen haben könnte. »Ach, sie hat sich nur verlaufen, als sie nach Hause gegangen ist. Aber die Polizei wird sie bald finden.«
»Es gefällt mir nicht, wenn du so viel telefonierst.«
»Ich weiß, Spatz. Aber ich finde es super, wie brav du warst.«
Sie starrte aus dem Fenster.
Vor der Schule stieg ich aus, umarmte Ally und gab ihr einen Kuss. Ihre Schultern hingen herunter, und ihr kleines Gesicht war verkniffen. Ich lehnte mich zurück und sah ihr in die Augen.
»Allymaus, ich weiß, dass ich in der letzten Zeit nicht die beste Mommy bin, aber ich verspreche dir, dass ich mir mehr Mühe geben werde, in Ordnung? Dieses Wochenende kommt Evan nach Hause, und wir machen etwas zusammen als Familie.«
»Mit Elch?«
»Natürlich!« Ich war erleichtert, daraufhin zumindest ein kleines Lächeln zu ernten.
Als Ally schon auf das Schultor zurannte, blieb sie noch einmal stehen und drehte sich um. »Ich hoffe, die Polizei findet die Frau, die sich verlaufen hat, Mommy.«
Das hoffte ich auch.
Sobald ich zu Hause war, rief ich Billy an. »Was soll ich machen?«
»Wenn er wieder anruft, denken Sie einfach an das, was Sandy gesagt hat. Bleiben Sie ruhig und lassen Sie ihn reden. Vergessen Sie nicht, dass er anruft, weil er Hilfe sucht. Er ist zutiefst aufgewühlt, und Sie scheinen die einzige Person zu sein, bei der er das Gefühl hat, sie könnte ihm helfen. Wahrscheinlich wird er bald wieder anrufen.«
Aber das tat er nicht. Ich lief in meinem Haus hin und her und versuchte schließlich, in der Werkstatt zu arbeiten, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Also trank ich unzählige Tassen Kaffee – was nicht gerade dazu beitrug, mich zu beruhigen – und verbrachte Stunden damit, nach Serienmördern und Verhandlungen mit Geiselnehmern zu googeln, während ich die ganze Zeit über daran dachte, was wohl gerade mit Danielle geschah. Ich mailte Billy eine Website nach der anderen und wurde mit jedem Mal und bei jeder Antwort von ihm ruhiger, selbst wenn es nur eine kurze Nachricht war wie: »Das machen Sie großartig, schicken Sie mir ruhig noch mehr.« Dann dachte ich über John nach, darüber, dass er gesagt hatte, er könne nicht länger warten, über den Druck, der sich in ihm aufbaute, bis er
irgendetwas
tun musste. Die plötzliche Erkenntnis, dass ich genau wusste, wie er sich fühlte, machte mir mehr Angst als alles andere.
Später am selben Tag saßen Ally und ich gerade beim Abendessen, als mein Handy klingelte. Es war John.
Ally verzog das Gesicht, als ich vom Tisch aufstand.
»Es dauert nicht lange, Spatz. Wenn du den Teller leer isst, sehen wir uns hinterher noch einen Film zusammen an, okay? Aber du musst mir versprechen, dass du mucksmäuschenstill bist.«
Sie seufzte, aber nickte und vergrub ihre Gabel im Kartoffelbrei.
Ich rannte in ein anderes Zimmer und ging ans Telefon.
»John, ich bin so froh, dass du noch mal anrufst. Ich habe mir Sorgen gemacht.« Ich machte mir immer noch Sorgen. Ich wusste nicht, ob er anrief, um mich um Hilfe zu bitten oder um mir zu sagen, dass es zu spät war.
Er gab keine Antwort.
»Geht es Danielle gut?«
»Sie hört einfach nicht auf zu weinen.« Die Frustration in seiner Stimme erschreckte mich.
»Es ist nicht zu spät. Du kannst sie gehen lassen. Für mich,
bitte
. Sie hat doch nichts falsch gemacht. Ich war diejenige, die es vermasselt hat.« Ich hielt den Atem an.
Er schwieg.
Ich sagte: »Kann ich mit ihr reden?«
»Das wäre nicht gut für dich.« Er klang väterlich. Ein Vater, der seiner Tochter
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