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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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Blätter, die darangepinnt waren, bewegten sich in dem Luftzug, der entstanden war, als sie hereinkamen.
    Ein kaputter Stuhl, der auf einem abgewetzten Teppich lag, bildete das Herzstück des Raumes. Mehr gab es nicht - abgesehen von der nackten Glühbirne, die an einem Kabel von der Decke baumelte. Draußen tobte die Partymusik weiter, wenn auch etwas gedämpft durch die vier Wände um sie herum.
    Varen nahm seine Maske ab und legte sie auf den Schreibtisch. Dann hob er den kaputten Stuhl vom Boden auf und klemmte die Lehne unter den Türknauf. Das brachte Isobels Haut zum Kribbeln. Gegen was verbarrikadierte er sie?
    »Varen?«
    Er hob die Hand und sie verstummte. Er hielt an der Tür inne und lauschte.
    »Varen -«, flüsterte sie.
    Er drehte sich wieder zu ihr um und stellte sich rasch neben sie. »Erwähne nicht meinen Namen«, raunte er und brachte sie damit zum Schweigen. »Sie darf dich hier nicht mit mir finden. Du musst dich verstecken.« Das sagte er mehr zu sich selbst als zu Isobel.
    »Sie?« Er konnte doch unmöglich noch immer Bedenken wegen Lacy haben, oder?
    Mit weit aufgerissenen, besorgten Augen blickte er sie an.
    So hatte sie ihn noch nie erlebt. Sie hätte auch nie gedacht, dass er überhaupt so sein konnte. Nervös, ängstlich - fast schon fiebrig. Was auch immer sie erwartet hatte, hier zu finden, das war es jedenfalls nicht. Es war ungewöhnlich für Varen, überhaupt Furcht zu zeigen, und jetzt hatte er doppelt so viel Angst wie sie.
    »Sag mir doch endlich, was los ist«, flehte sie.
    Er schüttelte den Kopf. »Du hättest nicht herkommen sollen.«
    »Hör auf, das zu sagen.« Sie krallte ihre Finger in seine Jacke. »Du hast mich gebeten zu kommen, erinnerst du dich?«
    »Das war ein Fehler.«
    Sie wollte ihn schütteln, ihn aufwecken, ihn dazu bringen, ihr zu antworten.
    »Varen, nichts von alldem hier ergibt irgendeinen Sinn und dann sagst du auch noch so was! Dein Brief … Warum hat … Ich verstehe überhaupt nichts von dem, was hier gerade abläuft, und ich stecke mittendrin! Sag mir jetzt sofort, was mit deinem Gesicht passiert ist. Brad hat gesagt … aber dann habe ich dich gesehen …« Isobel schüttelte den Kopf und versuchte, ihre Gedanken und Erinnerungen zu ordnen. Passte überhaupt irgendetwas zusammen? An welchem Ende des Durcheinanders sollte sie anfangen?
    »Erst warst du noch da und dann warst du plötzlich weg. Ich habe nach dir gesucht, aber du warst verschwunden, wie ein Geist! Und jetzt bist du hier und willst mir nichts sagen. Warum? Was sind das für Wesen? Wieso verfolgen sie mich? Warum haben sie Nikki und Brad angegriffen? Woher kommen sie? Was wollen sie?«
    »Sie wollen dasselbe wie ich!«, schrie Varen plötzlich und riss sich von ihr los. Er nahm die Maske vom Schreibtisch und warf sie gegen die Wand. Sie zerbarst in viele kleine Porzellanscherben, die sich auf dem Fußboden verteilten.
    Zitternd streckte Isobel die Hände nach ihm aus.
    »Lass mich.« Er drehte ihr den Rücken zu und stand jetzt mit dem Gesicht zur Tür gewandt.
    Diese Worte hatten sie früher einmal aufgehalten, doch jetzt nicht mehr. Inzwischen hatte sie einen Blick hinter Varens grimmige Grabesfassade erhascht. Trotz der dunklen Rüstung, dem Kajal, den schwarzen Stiefeln und den Ketten konnte sie klar und deutlich sein wahres Ich erkennen. Sie hatte hinter den Vorhang aus grausamer Beherrschtheit geblickt, hinter sein Todesstarren, das Vampirbenehmen und die Angst, und hatte hinter alldem wahre Schönheit gefunden. Sie schlang die Arme um seine Taille und vergrub das Gesicht in seiner Jacke, genau an der Stelle, wo sich der Umriss des toten Vogels befand. »Bitte sag es mir einfach!«
    Er drehte sich in ihrer Umarmung zu ihr um, drückte seine Lippen an ihr Ohr und flüsterte: »Ich wusste nicht, dass es so kommen würde. Ich wollte doch nur der Realität entfliehen. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst. Dass ich nur einen Weg irgendwo anders hin finden wollte. Auch, wenn es nur für eine kleine Weile war. Auch, wenn es nicht wirklich war. Doch dann wurde es plötzlich real. Es war echt und ich konnte es nicht aufhalten.«
    »Was? Was aufhalten?«
    »Dann habe ich dich kennengelernt.« Varens Lippen befanden sich wieder ganz nahe an ihren. »Und die Träume haben sich verändert.«
    Sein warmer Atem überschwemmte Isobel und sie wollte sich ihm wieder hingeben, von ihm berührt, von ihm geküsst werden. Mit diesen Lippen, die so zart wie ein Blütenblatt waren und zugleich wie

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