Nevermore
schütteln. Er runzelte die Stirn, drehte sich um und zeigte auf eine Gruppe, die in der Nähe stand.
Sie sahen aus wie eine vornehme, etwas außergewöhnliche Trauergesellschaft. Es waren drei junge Männer, von denen zwei einen schwarzen Regenschirm über den Kopf eines Mädchens hielten, deren goldbraune Arme in schwarzen Spitzenärmeln steckten und deren dichtes Haar mit Silberbändern hochgesteckt und mit großen Rosen und langen schwarzen Bändern geschmückt war. Sie sah wie eine Königin aus in ihrem blutroten Abendkleid mit den schwarzen Akzenten.
Lacy.
Einen Augenblick lang überlegte Isobel, einfach in der Menschenmenge zu verschwinden, doch dann bemerkte Lacy sie und es war zu spät. Wie eine vom Blick einer Kobra gelähmte Maus stand Isobel erstarrt da. Unter Lacys kunstvoll geschminkten Augen fühlte sie sich ganz klein. Eine gefühlte Ewigkeit lang wurde Isobel begutachtet, ein spöttisches Lächeln verzerrte die perfekten Konturen von Lacys dunklen Lippen. In der Zwischenzeit hatten sich auch die anderen aus ihrer Gruppe Isobel zugewandt, ihre Kelche abgesetzt und durchbohrten sie nun mit ihren Blicken.
Isobel schluckte. Sie würden sie bei lebendigem Leib verschlingen.
Innerlich verwünschte sie Gwen dafür, dass sie sie in Babyrosa gekleidet hatte. Warum hatten sie denn nicht tauschen können? Ein bisschen Eyeliner, etwas Verdrießlichkeit und schon wäre sie unbemerkt dem Radar entgangen.
Der Irokesenschnitt verlor anscheinend langsam die Geduld mit ihr. Er legte ihr seine riesige Hand auf den Rücken und schubste sie auf die Gruppe zu. Isobel wusste nicht, was sie tun sollte, und bewegte sich langsam in die Richtung, in die er sie schob.
Die Kerle mit den Schirmen sahen aus, als wären sie mindestens Mitte zwanzig, hatten beide lange Mäntel an und Zylinder auf dem Kopf. Der dritte sah etwas unkonventioneller aus. Er trug eine mit Ketten besetzte Lederjacke und seine Haare standen auf einer Seite stachelig vom Kopf ab und waren auf der anderen abrasiert. Lacy drückte dem Irokesenschnitt-Typen ihren Kelch in die Hand und griff nach Isobels Einladung. Ihre dunklen Augen verengten sich zu Schlitzen, während sie las, was darauf stand. Als sie aufsah, starrte sie an Isobel vorbei und suchte mit den Augen die Menge hinter ihr ab.
Das war der letzte Beweis,- den Isobel brauchte. Jetzt wusste sie, dass Varen tatsächlich hier war und bereits gesehen worden war. Sie verlor keine Zeit. Sie holte aus und schlug nach dem Irokesen-Typen, der prompt Lacys Getränk fallen ließ. Es spritzte auf den Boden und dunkle Tröpfchen verteilten sich auf Lacys Kleid. Sie japste entsetzt auf und ließ Isobels Etikett los. Isobel ergriff die Chance beim Schopf, löste sich von der Gruppe und stürzte sich Hals über Kopf in die schwarze Menschenmenge. Sie pflügte hindurch, bahnte sich einen Weg durch die wogende Masse von Körpern und schlängelte sich zwischen ihnen hindurch. Ihr Kleid blieb an einem mit spitzen Nieten versehenen Armband hängen und sie musste kurz anhalten, um sich loszumachen. Sie warf einen Blick zurück, drehte sich um und änderte die Richtung. Wie sollte sie ihn bloß jemals finden? War er auf der Tanzfläche oder vielleicht irgendwo oben auf der Galerie?
Je tiefer sie in die Menge vordrang, umso mehr Blicke schien sie auf sich zu ziehen. Geflüster kam um sie herum auf. Fremde Gesichter drehten sich nach ihr um - die meisten waren entweder porzellanweiß geschminkt oder hinter einer Maske verborgen. Isobel sah über die Schulter und erwartete immer noch, Lacy zwei Schritte hinter sich zu entdecken, wütend und bereit, ihr alle Haare vom Kopf zu reißen. Entweder das oder ihr das Blut auszusaugen.
Isobel trat versehentlich jemandem auf die Zehen und blickte auf. Ein Junge der in viele verschieden karierte Stoffstücke gekleidet war, lächelte sie an. Das beunruhigte sie mehr, als wenn er sie zornig angesehen hätte. Isobel drehte sich um und drängelte sich weiter durch die Menge, die immer dichter wurde. Irgendjemand umfasste ihre Taille. Isobel schrie, ihre Stimme verlor sich im Lärm der kreischenden Musik. Panisch riss sie sich los. Ein lachendes Gesicht entfernte sich und verschmolz mit dem Nebel aus farbigen Lichtern. Sie starrte ihm nach und fragte sich, ob sie sich das Loch in seiner Wange nur eingebildet hatte.
»Isssobel.«
Als sie plötzlich ihren Namen hörte, schrak Isobel auf und sah sich beunruhigt um. Es war, als würde jemand in ihrem Kopf zu ihr sprechen. Die Stimme
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