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Nevermore

Nevermore

Titel: Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Creagh
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lautes Krachen hallte durch den Friedhof, gefolgt von einem Aufschrei. Isobel flog durch die Luft und fiel mit dem Rücken auf den Sarg. Pinfeathers’ schlaffer, abgehackter Arm fiel ihr in den Schoß.
    Mit einem langen Zischen wich Pinfeathers zurück. Seine menschliche Gestalt löste sich erneut auf und er verwandelte sich in eine Mischung aus Rauchkringeln und Vogel. Eine dunkle Masse, die über dem Grab schwebte, heiser krächzte und unmenschliche Klagelaute ausstieß. Seine Flügel schlugen in einem ungleichmäßigen Rhythmus durch die Luft und sein Vögelkörper drehte sich bei dem Versuch zu fliegen in einer hilflosen Spirale um sich selbst. Sein Gesicht tauchte zwischen den Schwa den auf und er brüllte Isobel an. Dann flog er als violetter Nebel davon, schwarze Federn lösten sich aus seinen Flügeln und flatterten wie herunterfallende Blätter in das offene Grab.
    In der Ferne ertönten weiterhin die tiefen Stundenschläge und es war unmöglich festzustellen, wie viele noch folgen würden.
    Isobel warf den abgebrochenen Arm zur Seite und wandte sich wieder dem Sarg zu, in dem es sehr still geworden war.
    »Brad!« Sie zog und zerrte an dem hölzernen Deckel. Er bewegte sich kaum von der Stelle. Isobel drehte sich um und suchte nach dem Spaten. Sie hob ihn auf und setzte die Schaufel an einer Seite des Sarges an. Das Holz brach ein wenig, aber es reichte noch nicht. Sie versuchte es noch einmal. »Brad!«
    Diesmal splitterte ein Teil von einer Ecke ab. Isobel ließ den Spaten fallen. Sie fasste in das Loch und zog am Sargdeckel. Langsam bewegte er sich zur Seite. Mit all ihrer Kraft zog und zog sie, bis der Deckel endlich nachgab. Er fiel genau in dem Moment polternd zur Seite, als der letzte Glockenschlag über den Friedhof hallte.
    Es war Mitternacht.
    Schweigend und zitternd lag Brad in dem Sarg, die Augen zum Himmel gerichtet. Er trug ein Krankenhausnachthemd und sein gebrochenes Bein lag in einem dicken blauen Gips.
    Isobel streckte die Hand nach ihm aus, doch ihre Finger glitten einfach durch ihn hindurch, als wäre er ein Hologramm. »Brad!«
    Er zitterte stärker. »Is…sobel?« Seine Augen starrten blind an ihr vorbei und richteten den Blick auf etwas über ihr.
    Isobel versuchte wieder, nach ihm zu greifen, doch erneut glitten ihre Arme durch ihn hindurch wie durch ein Gespenst.
    Etwas Dickflüssiges, Nasses und Warmes spritzte auf ihren Arm und ließ sie innehalten. Sie sah auf und bemerkte, dass auf ihrem Unterarm ein scharlachroter Strahlenkranz aus Blut glitzerte. Hatte sie sich etwa verletzt?
    Ein weiterer Spritzer platschte direkt auf ihre fragend nach oben gerichtete Handfläche.
    Isobel blickte aus dem Grab. Das Blut tropfte von der Statue, die hoch über ihr aufragte. Breite rote Spuren liefen an ihrem Gewand hinab, glitten in die Falten ihrer steinernen Robe und sammelten sich auf der Erde zu kleinen Pfützen.
    »Isobel!« Brad sauste an ihr vorbei aus dem Grab. Sein schlaffer Körper wurde von einer unsichtbaren Kraft wie eine Stoffpuppe nach oben gerissen. Er flog hoch, krümmte sich, wurde auseinandergezogen, wurde immer länger und länger und Zentimeter für Zentimeter in das marmorne Gesicht der Statue gesaugt. Dann verschluckte sie ihn ganz und erstickte seine Schreie.
    Unter der dunklen Kapuze erwachten zwei Nadelköpfe aus rubinrotem Licht zum Leben. Stein wich triefenden, hellrot glänzenden Falten. Blut durchtränkte den wogenden Stoff des Gewandes und die Gestalt begann sich zu bewegen. Sie drehte den Kopf und stieg von dem Granitsockel herunter, auf dem sie verankert gewesen war.
    Isobel stand wie angewurzelt da und beobachtete entsetzt, wie die Gestalt das in der Erde klaffende Loch umrundete und ihr blutgesprenkeltes Gewand um ihren Körper flatterte. Sie schwebte mehr über der Erde, als dass sie auf ihr ging.
    Die Statue zog eine schwere Schleppe aus rotem Stoff hinter sich her, schleifte sie durch die Asche und Isobel wurde mit einem regelrechten Wasserfall aus Schmutz überschüttet. Isobel hustete und fiel der Länge nach nach hinten, in den jetzt leeren Sarg. Sie blinzelte in den aufgewirbelten Staubnebel und musst wie hypnotisiert mit ansehen, wie das tropfende Etwas um das Grab waberte.
    »Brad?«
    Die Gestalt blieb stehen. Ihr funkelnder, grausamer Blick fiel auf Isobel. Sie streckte eine Hand über das offene Grab und ihre blutgetränkten, knochendürren Finger krümmten sich einer nach dem anderen langsam zu einer Faust. Isobel konnte spüren wie der Boden

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