Nevermore
beim Abendbrotmachen gebeten habe, während er auf dich wartet.«
Isobel wusste nicht, ob sie erleichtert darüber sein sollte, dass ihre Mutter keine Kernschmelze erlitten hatte, oder ob sie sich dafür schämen sollte, dass sie mit Trenton Highs Version des Dunklen Lords Chefkoch spielte.
Na ja, immerhin sah es so aus, als würde es Varen nichts ausmachen. Im Grunde war Isobel sogar erstaunt darüber, wie geschickt er im Sellerieschneiden war. Geradezu geübt.
»Du bleibst doch zum Abendessen, oder?«, wollte ihre Mutter wissen.
Varen warf Isobel einen schnellen Blick zu.
»Ja«, sagte sie, »bleib doch zum Essen.« Konnte dieser Tag überhaupt noch seltsamer werden?
Sie versuchte sich vorzustellen, wie Varen mit ihrer Familie beim Abendessen saß, und hoffte inständig, dass Danny sie nicht bis auf die Knochen blamieren würde. Sie konnte sich schon jetzt all die dummen Fragen vorstellen, die ihr Bruder Varen stellen würde - zum Beispiel, ob seine Unterwäsche auch schwarz war.
Isobel stellte sich neben Varen und legte das Poe-Buch auf die Arbeitsplatte.
»Varen hat gesagt, dass ihr ein Schulprojekt zusammen macht«, meinte ihre Mutter. »Isobel hat nie viel gelesen«, fügte sie, an Varen gewandt, hinzu, der Isobel amüsiert angrinste.
Sie war froh, dass er so viel Spaß hatte.
»Ich habe Varen gerade erzählt, dass ich mich an der Uni mit Poe beschäftigt habe«, fuhr ihre Mutter fort. »Ich habe allerdings hauptsächlich seine Detektivgeschichten gelesen. Der entwendete Brief, Der Doppelmord in der Rue Morgue - ich glaube, ich war ein bisschen in Monsieur C. Auguste Dupin verknallt«, plapperte sie weiter und sprach den Namen mit dem schlechtesten französischen Akzent aus, den man sich vorstellen konnte. Isobel spürte, wie ihre Ohren heiß wurden.
»Varen, willst du einen Eistee?«, fragte ihre Mutter. »Ich habe gerade vor einer halben Stunde welchen gemacht. Ingwer-Pfirsich. Im Kühlschrank ist auch Limonade, wenn dir das lieber ist.«
»Mom«, warf Isobel ein, bevor er antworten konnte, »könne wir jetzt bitte lernen gehen? Wenn das in Ordnung ist.«
»Okay, okay«, sagte ihre Mutter und machte einen Schritt zur Seite, damit Varen seine Hände im Spülbecken waschen konnte »Warum setzt ihr euch nicht an den Esszimmertisch, damit ich euch nicht im Weg stehe? Da habt ihr genügend Platz, um euch auszubreiten.«
Isobel, deren Ohren immer noch wie Feuer brannten, ließ sich das nicht zweimal sagen und machte auf dem Absatz kehrt, bevor ihre Mutter noch etwas Peinliches sagen oder tun konnte. Sie hob Varens Schultasche auf, die auf einem der Küchenstühle lag, und schleppte sie ins Esszimmer. Wenn sein schwarzes Buch darin war, würde Varen ihr überallhin folgen.
Er lächelte noch immer dieses »Im Stillen amüsiert mich dein idyllisches Zuhause«-Lächeln, als sie seine Tasche auf einem der Esszimmerstühle abstellte.
Sie setze sich. »Was ist?«, fragte sie und wartete darauf, dass er ihr irgendeine trockene, geistreiche Bemerkung an den Kopf warf.
»Deine Mutter ist nett«, war alles, was er sagte. Er räumte seine Schultasche vom Stuhl und setzte sich.
Plötzlich wünschte Isobel sich, sie würden näher beieinandersitzen, aber es sähe ziemlich seltsam aus, wenn sie jetzt aufstand und sich woandershin setzte.
Sie legte das Poe-Buch zwischen sie auf den Tisch. Sie seufzte und beschloss, Varen das Schlimmste gleich zu gestehen. »Ich habe nichts von dem gelesen, was du gesagt hast«, platzte sie heraus und war stolz, dass sie es schaffte, ihm dabei direkt in die Augen zu sehen.
Er nickte wie ein Arzt, dessen Verdacht bezüglich der Diagnose eines Patienten bestätigt worden war. »Keine Sorge«, er blätterte mit den Fingern durch das Buch, »überflieg einfach den Roten Tod und schreib die Passagen raus, die du für die wichtigsten hältst Dann such das Gedicht Annabel Lee und mach damit dasselbe. Ich muss noch das Fazit für unsere Hausarbeit fertig machen und dann können wir anfangen, das Zeug für die Präsentation aufzuteilen.«
Isobel griff nach dem Buch, das Varen umgedreht und ihr zugeschoben hatte. Es war ihr alles so peinlich, dass sie nicht einmal versuchte, die richtigen Worte zu finden, um ihm für seine - für ihn so untypische - Geduld zu danken.
Schließlich verfiel sie in eine Art Routine: Jedes Mal, wenn sie ein brauchbares Zitat aufgeschrieben hatte, sah sie verstohlen zu Varen.
Irgendwann kam ihre Mutter vorbei, um ihnen einen Krug Pfirsichtee, zwei Gläser
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