Nevermore
gesprochen. Er hat sehr gute Manieren, und wenn du nicht sofort an die Decke gegangen wärst, dann hättest du das wahrscheinlich selbst herausgefunden.«
»Um wen geht es?«, wollte Danny wissen und breitete die Arme aus, so als würde er Regen erwarten.
Isobel konnte es einfach nicht glauben. Ihr Vater flippte gerade wegen nichts und wieder nichts aus! Er ging in die Luft, nur weil sie ihre Hausaufgaben gemacht hatte. »Du kommst einfach nicht damit klar, dass ich mit Brad Schluss gemacht habe, oder?«, knurrte sie.
»Wouh«, sagte Danny verblüfft, »du hast mit dem Blödmann Schluss gemacht?«
»Nein«, antwortete ihr Vater und fing an zu brüllen. »Womit ich nicht klarkomme, ist, dass dich nach Mitternacht irgendein Kerl nach Hause bringt, der sich für einen Vampir hält!«
»Und jetzt gehst du mit einem Vampir?«, fragte Danny neugierig »Du weißt aber, dass die beißen, oder?«
»Danny«, sagte ihre Mutter, »geh und setz dich in die Küche.« Danny rührte sich nicht vom Fleck.
»Oh bitte!«, schrie Isobel. Sie wandte ihrem Vater den Rücken zu und lief die Treppe hoch. Sie würde einen Teufel tun und da unten stehen bleiben und sich ausfragen lassen wie eine Fünfjährige.
»Geht es um den Typen, der letztens am Telefon war?«, fragte Danny in die Runde.
»Isobel, du bleibst sofort stehen! Ich bin noch nicht fertig!« schrie ihr Vater.
»So ein Pech aber auch«, rief sie ihm von der Mitte der Treppe aus zu, »ich nämlich schon!«
»Wie kann er ein Vampir sein, wenn er so viel über Vampirjäger weiß?«
»Danny«, sagte ihre Mutter warnend.
»Ich mein ja nur.« Isobels Bruder zuckte mit den Schultern.
»Ich habe gesagt, du sollst runterkommen, Isobel! Wir diskutieren das jetzt aus oder du kannst zwei weitere Wochen darauf warten, aus dem Haus zu dürfen!«
»Ach, das ist ja mal ganz was Neues!«, bellte sie zurück und stürmte nach oben.
»Isobel!«
»Sam, hör auf, sie anzuschreien!«, brüllte ihre Mutter.
»Wenn das hier auf Japanisch wäre«, sagte Danny, »dann wäre es ein super Anime-Film.«
»Isobel!«, rief ihr Vater noch einmal.
Sie machte auf dem oberen Treppenabsatz halt und beugte sich über das Geländer. »Ich bin sechzehn, Dad! Und es geht dich nichts an, mit wem ich zusammen sein will!« Sie stapfte zu ihrer Zimmertür und blieb, glühend vor Wut, davor stehen. »Oder wem ich den Laufpass gebe!«, tobte sie und knallte die Tür so laut zu, dass es im ganzen Haus zu hören war.
Isobel warf sich auf ihr Bett und ließ ihren Tränen freien Lauf. Was war denn nur los mit ihrem Leben? Wann war denn bloß alles so kompliziert geworden? Es waren doch nur Hausaufgaben! Wie und wann war ihr Leben denn von Hausaufgaben auf den Kopf gestellt worden?
Sie hörte Schritte auf der Treppe, gefolgt von einem sanften Klopfen an ihrer Tür. Ihre Mutter. Isobel wusste, dass sie es war, bevor sie ihre sanfte Stimme fragen hörte, ob sie nicht bitte zum Abendessen nach unten kommen wollte. Isobel gab keine Antwort. Nach einer Weile hörte sie ein Seufzen und danach sich geschlagen gebende Schritte, die sich langsam entfernten.
Sie lag noch eine ganze Weile still da, auf der Seite zusammengerollt, und versuchte, den dumpfen Schmerz zu ignorieren, der sich in ihrem Kopf breitmachte.
Sie dachte daran, ihr Handy aus dem Rucksack zu holen. Doch wen sollte sie anrufen? Vielleicht Gwen, aber sie hatte ihre Nummer nicht - und da Gwen neulich Abend auf dem Festnetz angerufen hatte, war ihre Nummer auch nicht in ihrem Handy gespeichert. Isobel überlegte, es mit Gwens Telefonbuch-Online-Strategie zu versuchen, doch dazu musste sie in das Zimmer ihres Bruders gehen und momentan konnte sie wirklich keinen weiteren Streit gebrauchen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben musste Isobel dagegen ankämpfen, ihren Vater zu hassen. Sie konnte einfach nicht verstehen, wie er nur so unfair oder so blind sein konnte. Wie konnte es sein, dass er Brads andere Seite nicht sah? Und was an Varen hatte ihn überhaupt so durchdrehen lassen? Warum schien Varen jeden dazu zu bringen durchzudrehen? Brad, ihr Vater … Was an ihm war denn so verboten? Was machte seine Welt so anders als ihre?
Sein kantiges, gelassenes Gesicht erschien vor ihrem inneren Auge. Bei der Erinnerung an seinen Blick durchflutete Isobel eine Woge der Ruhe. Sie stellte ihn sich genau so vor wie eben, als sie draußen neben seinem Auto gestanden hatten. Er war ihr so nah gewesen. Sie schloss die Augen und atmete langsam und tief ein. Sie
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