Nevermore
und die Schranktür und tauchten Isobel zeitweise in vollkommene Dunkelheit. Irgendwo im Zimmer jaulte Slipper.
Angetrieben
Isobel rüttelte an der Schranktür - sie wollte einfach nicht aufgehen! Das Flüstern wurde lauter; es schien aus der Wand zu sickern. Sie konnte Varen nicht mehr sehen - der Platz, an dem er gestanden hatte, war jetzt leer. Isobel drückte mit beiden Händen gegen die Tür, Poes gesammelte Werke hatte sie sich unter den Arm geklemmt. Mit aller Kraft hämmerte sie gegen die Türflügel.
Mit einem Krachen flog der Schrank auf und Isobel machte einen Satz nach hinten. Das Flüstern verstummte.
Varen stand da, hatte seine ramponierte Schultasche geschultert und starrte geradewegs durch Isobel hindurch. Sein Gesicht war so kalt und ausdruckslos wie Glas. Die Lampe hinter ihm hing regungslos an ihrer Kette und flackerte nicht mehr, doch Slipper knurrte noch immer.
»Ich fahr dich nach Hause«, sagte Varen. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um, nahm Isobels Rucksack und ging zum Fenster an der gegenüberliegenden Wand.
Isobel kroch vorsichtig aus dem Schrank und suchte mit den Augen den Boden, die Wände und die Schranktür ab. Alles war ruhig.
Sie sah, wie Varen das Fenster hochschob. Dann stieg er in die hereinbrechende Dunkelheit und verschwand außer Sichtweite.
Isobel eilte zum Fenster und sah ihn direkt davorstehen. Er schien in der Luft zu schweben. Doch als sie nach unten blickte und ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah sie die schwarze Plattform, die ihn trug. Eine eiserne Treppe führte an der Ziegelsteinwand nach unten. Eine verrostete Fluchttreppe.
Isobel zögerte. Sie waren ziemlich hoch oben. Varen nahm ihre freie Hand und ließ ihr keine Wahl. Sie hatte nicht die Energie, sich ihm zu widersetzen, und kletterte hinaus in die kalte Nacht. Ihr Bibbern wurde zu regelrechten Zitterschauern, als eine eisige Windböe um die Seite des Hauses wehte und ihnen direkt ins Gesicht blies. Varens ohnehin schon stählerner Griff wurde noch fester, und als Isobels Füße auf dem Metallabsatz landeten, zog er sie mit sich. Unter ihnen ächzte und seufzte die wackelige Treppe und schwankte bedrohlich, als sie um die erste Ecke bogen. Runter und rum, runter und runter. Ein pechschwarzer Vogel krächzte warnend von einem Dach und sein heiserer Ruf wurde von einem ebensolchen Krächzen und flatternden Flügeln erwidert.
Varen sprang als Erster von der Leiter, die am Ende der Metalltreppe hing. Isobel zitterte unkontrolliert und drehte sich um, um Sprosse für Sprosse nach unten zu klettern. Sie hatte nur eine Hand frei, um sich festzuhalten, da sie immer noch das Buch im Arm hielt. Sie spürte, wie Varens Hände um ihre Taille fassten. Er hob sie hoch und setzte sie ab. Dann griff er wieder nach ihrer Hand und schon setzten sie sich in Bewegung, bevor Isobel verstand, wie oder wohin.
Sie erreichten den Straßenrand, und als Varen sie losließ und ihr ihren Rucksack gab, begriff sie, dass sie in den Cougar steigen sollte. Er ging um das Auto herum und öffnete mit einem Schwung die Fahrertür. Seine Schultasche landete auf dem Rücksitz, dann stieg er ein und zog die Tür hinter sich zu.
Isobel ließ sich auf den Beifahrersitz fallen und umklammerte ihren Rucksack und das Buch auf ihrem Schoß. Sollte sie etwas sagen? Würde das nicht alles nur noch schlimmer machen?
Er ließ das Auto an und der Motor heulte auf. Rasch schloss Isobel die Tür auf ihrer Seite, sie befürchtete, dass er jeden Moment losrasen würde. Der Motor heulte ein weiteres Mal auf. Anscheinend wollte Varen, dass seine Eltern mitbekamen, dass er wegfuhr.
Isobel blickte zurück zum Haus und sah, wie die Außenbeleuchtung anging. Seine Stiefmutter eilte auf die Veranda. Sie war blond, groß, hatte eine sehr gerade Haltung und trug ein silbernes Abendkleid, das wie Wasser im Mondlicht glitzerte. Sie ließ die Verandatür offen stehen und rannte mit klappernden Absätzen den Gehweg entlang auf sie zu. Dabei rief sie nach Varen.
Das Autoradio sprang an. Gitarren und schepperndes Schlagzeug erfüllten das Auto und der Sänger schrie mehr, als dass er sang.
Als ihr Blick auf Isobel fiel, blieb die Frau stehen. Eine volle Sekunde lang sahen sie sich direkt in die Augen.
Mit quietschenden Reifen parkte Varen aus. Isobel wurde in ihren Sitz gepresst, als sie die Straße entlangfegten. Ohne zu bremsen, bog er an der nächsten Kreuzung rechts ab - das Heck des Autos schlingerte. Isobel griff nach dem
Weitere Kostenlose Bücher