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nevermore

Titel: nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heike
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übersäten die Straße. Eine weiße Gespenstermaske, die aussah wie das zerbrochene Gesicht eines Nocs, lag im Gras, zurückgelassen und vergessen.
    Reynolds’ Schritte machten keinerlei Geräusch auf dem Kiesweg, der zur Veranda hinter dem Haus führte. Er trug Isobel zur Tür, doch statt sie auf ihre Füße zu stellen, legte er sie sanft auf den Kissen der Rattanbank ab. Als er sich etwas von ihr entfernte, setzte sich Isobel auf. Sie befürchtete, dass er sie ohne ein weiteres Wort zurücklassen würde.
    Doch Reynolds setzte sich neben sie. »Isobel«, begann er, »letzten Endes bringt es nur Schmerz und Reue, an die Dinge und Menschen zu denken, die wir niemals wieder um uns haben werden. Oder an die Gelegenheiten, die wir vielleicht nie bekommen werden. Meinst du nicht auch?«
    Sie runzelte die Stirn und war sich nicht sicher, was die Frage bedeuten, und noch weniger, was sie darauf antworten sollte.
    »Uns nach denen zu verzehren, die wir um uns gehabt, geliebt und einst umarmt haben, aber nie wieder in die Arme schließen werden«, fuhr er fort, »ist eine Folter von unerträglichem Ausmaß. Es ist die schlimmste Art von Schmerz, die man sich vorstellen kann. So schlimm und tief, dass man sich darin verliert so wie Edgar.«
    »Warum erzählst du mir das alles?«, fragte Isobel. »Bin ich am Ende etwa doch tot?«
    Er lachte in sich hinein. Es war das erste Mal, dass Isobel Reynolds überhaupt lachen hörte. Es war ein weiches, heiseres Geräusch, so als würde man ein eingerostetes Tor öffnen.
    Langsam stand er auf und sein nach vergorenen Rosen riechender Duft stieg ihr wieder in die Nase. Er ging zum Rand der Veranda und blieb dort mit dem Rücken zu Isobel stehen. Er hob einen Arm und legte die Hand um einen der hölzernen Stützbalken. Ein Windhauch zog vorbei und ließ seinen Umhang rascheln.
    »Edgar.« Reynolds sprach den Namen so aus, als würde er es sich nicht oft erlauben, ihn in den Mund zu nehmen. »Du hast recht, ich kannte ihn gut. Trotz der vielen Unterschiede zwischen uns waren wir wie zwei Seiten ein und derselben Medaille. Verschieden und doch im Innersten genau gleich. Er war mein Freund.«
    Isobel hörte ihm zu. Es war seltsam, Reynolds so viel reden zu hören. Und sonst war er immer so vage. Für gewöhnlich konnte man alles, was er sagte, umdrehen und es ergab genauso viel Sinn wie vorher.
    »Was ist wirklich mit ihm passiert?«, fragte sie.
    »Er ist gestorben«, antwortete Reynolds. »Er starb zum Teil durch sein eigenes Zutun, zum Teil durch das Zutun anderer. Am besten belässt man es dabei.«
    »Du meinst, Lilith hat ihn umgebracht?«
    »Sie war ... dafür verantwortlich.«
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Isobel atemlos. »Ich habe das Buch verbrannt. Warum bin ich immer noch hier? Warum bin ich nicht gestorben?« Das war die Frage, die sie ihm schon die ganze Zeit hatte stellen wollen und die sich jetzt ihren Weg durch eine Vielzahl von Fragen gebahnt hatte.
    »Ja«, sagte Reynolds, »das ist etwas, was ich auch nicht ganz verstehe, obwohl ich vermute, dass das irgendwie das Werk deines Freundes war.«
    »Varen? Aber wie konnte er -?«
    Reynolds wandte sich ihr zu. »Erlaube mir, es dir anhand eines Beispiels zu erklären, das ich verstehe. Die Nocs. Sie sind ein Teil seiner Fantasie, ein Teil von Varens Geschichte, und damit auch ein Teil von ihm. Wenn er dich nicht verletzen würde, dann ist es nur logisch, wenn sie dazu auch nicht in der Lage sind. Sie sind die tiefsten Schichten seines Unterbewusstseins, Granatsplitter seines inneren Selbst. Wie du vielleicht bemerkt hast, haben sie dieselben Wünsche und die gleichen Kämpfe zu kämpfen wie ihr Schöpfer. Als eigenständige Wesen jedoch, die von der Seele und von den Grenzen des menschlichen Bewusstseins befreit sind, entwickeln sie eigene Gedanken. Und als Dämonen, die in der Traumwelt erschaffen wurden, sind sie per Gesetz dazu gezwungen, ihrer Königin Folge zu leisten. Deshalb haben sie zwar versucht, dir Schaden zuzufügen, waren aber am Ende dazu nicht imstande.«
    »Das erklärt aber noch nicht, warum das Feuer, das ich erschaffen habe, mich nicht verbrannt hat.«
    »Du hast das Feuer in einer Traumwelt erschaffen, die den Regeln ihrer Königin gehorcht, aber dennoch von der Fantasie und den Wünschen einer äußeren Kraft beeinflusst wird - von deinem Freund. Daher hat dich wahrscheinlich dieselbe Kraft, die dich vor den Nocs beschützt, auch vor dem Feuer bewahrt. Außerdem hast du, als du die Verbindung -

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