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Neverwake

Neverwake

Titel: Neverwake Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meissner
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oben.
    Paulie und Akko waren da und begrüßten ihn.
    »Alles fit, Altmeister? Alles fast?«
    »Fast genug für den Padraigin King, Paulie. Ich hoffe, ihr habt die Specs neu justiert.«
    »Werden dir nicht mehr von deinem kleinen Kopf rutschen.«
    »Dann wird ja alles gut.«
    Esch hängte seine nassen Sachen in einen Spind, wusch sich über dem kleinen Becken nebenan das Gesicht, le gte sich dann auf eine der Chill -Pritschen und zog sich einen Kopfhörer ran. Er hatte eine Disc mitgebracht mit ein paar Stücken, die ihm im Augenblick besonders gut gefielen, legte sie in den Player, legte sich zurück und schloß die Augen. Langsame, laszive Breakbeats rollten durch ihn durch. Es war ein gutes Gefühl.
    Überhaupt liebte Esch die Stunde vor einem Kampf.
    Das war schon immer das Allerbeste gewesen. Der langsame Aufbau von Anspannung und Energie. Das Bewußtsein, ein Virt zu sein, in der Liga zu leben, zu wissen, daß andere Leute dafür bezahlten, daß er kämpft. Dabei hatte er schon bessere Zeiten gesehen. Esch war jetzt zweiunddreißig Jahre alt, ein Greis unter den Drittligisten. In der ersten Liga gab es auch Meister über dreißig, der älteste war sogar schon einundvierzig, aber die hatten ja auch Figuren, deren Werte dermaßen hoch waren, daß es schon fast keine Rolle mehr spielte, wenn die Virts dahinter nur noch sechzig Prozent brachten. Die Kämpfer waren die eigentlichen Stars, nicht die Spieler, die sie bedie n ten. Eschs Figur Tabula Razor war voll im Trend gewesen, als er vor zehn Jahren mit ihr angefangen hatte. Sie war unve r schämt sexy, ihr knappes Gummioutfit mit dem Rasierklinge n besatz war damals beinahe als pornographisch indiziert worden – aber vor allem war sie schnell. Esch hatte fast alle ursprün g lichen Eigenschaftsakzentpunkte für Schnelligkeit und Akrob a tik ausgegeben und konnte jeden Gegner damit schwindlig tanzen. Tabulas zu Messern verdichtete Handkanten hatten die Körper ihrer Gegner mit blutigen Mustern tätowiert. Ihre langbeinigen Kicks und unberechenbaren Spin-Moves waren ein Alptraum gewesen für alle Kämpfer, die schwerfällig auf Körper- und Widerstandskraft angelegt waren.
    Durch Tabula stieß Esch in die zweite Liga vor.
    Aber hier hatte Esch erkennen müssen, daß er nicht gut genug war, daß er niemals bis in die absolute Spitze vordringen würde. Tabula hatte mittlerweile dermaßen viele Punkte auf Schnelligkeit dazuverdient, daß Eschs Finger an den Contro l lern kaum noch in der Lage waren, diese Geschwindigkeit effektiv zu bändigen, und in der zweiten Liga bekam Esch es mit Virts zu tun, deren Kämpfer ähnlich hohe Werte hatten – nur, daß diese Virts ihre Figuren noch besser bedienen konnten als Esch. Dies war das Zeitalter der Kids, die, noch bevor sie laufen lernten, mit Controllern herumdaddelten, und die nun, mit vierzehn oder fünfzehn Jahren, von überallher in die Liga strömten und dort mit Reaktionszeiten für offene Münder sorgten, die kein Meßgerät mehr erfassen konnte. Sogenannte Wizard-Virts wie Laurence Tader oder Kumar Battercharjee wirbelten sich von ganz unten nach ganz oben durch die V-l eague und konnten nur gestoppt werden, indem sie sich selbst zu Fall brachten oder starben.
    An einem denkwürdigen Tag vor sechs Jahren war Tabula Razor von einem Gegner, dessen Virt ein zwölfjähriges Mä d chen war, in einem Kampf über fünf Siegrunden mit einem 5:0-Ergebnis bei drei Perfect-Rounds regelrecht abgeschlachtet worden. Tabula mußte den höchsten Punkteabzug ihrer bish e rigen Karriere hinnehmen, und Eschs Kopf war hinterher nie mehr so frei wie vor diesem Tag. Tabula taumelte die zweite Liga abwärts, wurde dann durchgereicht in die dritte Liga und fing sich erst dann wieder, als sie durch die Cluster den Nied e rungen des Anthills entgegentrieb.
    Mittlerweile verdiente Esch sich seine Brötchen damit, daß er Tabula Razor als Steinbruch arbeiten ließ, das heißt, Tabula war Aufbaugegnerin für vielversprechende Gipfelstürmer.
    Da man laut Ligareglement mehr Punkte durch einen Sieg über eine noch einigermaßen gefährliche Figur wie Tabula verdie n te, als wenn man gegen reines Fallobst antrat, konnte Esch sich nicht über mangelnde Engagements beklagen. Ein Kampfabend wie der heutige im Bloodpool war zwar billig und low-style, und der V-League-Channel schaltete sich auch nur dann live dazu, wenn sich etwas besonders Spektakuläres anbahnte, aber Esch kannte das Umfeld und die Leute hier, er hatte den größten Teil seiner

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