Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
eines Schurken lassen, dem ich zudem noch die Miete für diesen Monat schuldete!
    Am Talende führte die Straße in engen, steilen Serpentinen bergauf, um dann den Windungen des Flusses zu folgen, der aus dem dichten Unterholz wie aus dem Nirgendwo auftauchte. Ich kannte jede Biegung und jede Kehre auswendig und fuhr die Strecke wie einen Slalom. Nach dem zweistufigen tosenden Wasserfall ging es durch mehrere Täler, die sich der Snake River gegraben hatte.
    Der Snake ist einer der schönsten Flüsse Nordamerikas, und er verhält sich so, wie er heißt – wie ein dunkles geheimnisvolles Reptil, das sich nur in den wilden, unzugänglichen Schluchten der Rockies zu Hause fühlt. Fast die gesamten eintausend Meilen vom Yellowstone Nationalpark in Wyoming durch Idaho und Oregon bis zu seiner Mündung in den breiten Columbia River im Staat Washington mäandert der Snake River in engen Zickzackkurven. Über weite Strecken verbirgt er seine Gefährlichkeit unter einer glasglatten Oberfläche. Aber die Strömung ist so stark und die ruhigen Stellen sind manchmal so tief, daß nur wenige, die von den Fluten mitgerissen wurden, je wieder gefunden wurden; sogar Autos verschwanden auf Nimmerwiedersehen im Schlangenfluß. Das erklärt die Gerüchte von dem riesigen Wassermonster, das dort lauert und alles verschlingt, was es in seine unterirdische Höhle schleppt.
    Wie gewöhnlich um diese Jahreszeit lag das Tal in dichtem Nebel, der sich beim Zusammentreffen des relativ warmen Dampfes aus dem tiefen Fluß mit der eiskalten Gebirgsluft bildete. Einheimische prüfen kurz vor den letzten bergab führenden Serpentinen, solange die Straße noch zu sehen ist, ob sich hinter ihnen andere Fahrzeuge befinden, mit denen sie unten in der Nebelsuppe zusammenstoßen könnten. Dabei sah ich den Wagen hinter mir, der sofort wieder hinter einer Kurve verschwand.
    Es war ein unscheinbares graues Regierungsfahrzeug mit weißem Nummernschild, wie es sich jeder der zehntausend Beschäftigten borgen konnte, wenn er im Auftrag der Firma etwas zu erledigen hatte. Was hatte dieser Wagen hier draußen auf dem Weg in die Wildnis zu suchen? Wer Regierungsfahrzeuge für persönliche Zwecke oder Freizeitaktivitäten benutzte, mußte mit einer saftigen Geldstrafe oder sogar Entlassung rechnen.
    Aber vielleicht war der Wagen offiziell unterwegs. Sam hatte gesagt, man würde mich rund um die Uhr bewachen. Wenn sogar Olivier die Finger im Spiel hatte, woher sollte ich dann wissen, ob nicht noch andere beteiligt waren? Obwohl ich den Fahrer durch die Windschutzscheibe nicht sehen konnte, als der Wagen an der letzten Biegung wieder zum Vorschein kam, war ich überzeugt, daß er mich verfolgte. Außer mir war sonst niemand hier draußen.
    Aber ich kannte jede Kurve und jede Unebenheit auf dieser Strecke und wußte, daß ich meinen Verfolger dort unten im Nebel abhängen konnte. Nach der nächsten Kurve beschleunigte ich und tauchte in das letzte Steilstück hinunter. Im Rückspiegel sah ich, daß er das gleiche tat – und dann umhüllte uns dichter weißer Nebel. Ich hörte nur noch Stille, während sich mein Wagen auf der schlangenförmig gewundenen Straße durch den Nebel schob.
    Ich hatte das Gefühl, seit Stunden in diesem dicken Nebelkissen durch Haarnadelkurven zu steuern; aber die Uhr am Armaturenbrett sagte mir, daß es erst zwanzig Minuten waren. Die Straße würde bald wieder aus dem Nebel auftauchen, denn ich näherte mich dem Paß. Dort oben gabelte sich die Straße, so daß man auf verschiedenen Routen nach Jackson fahren konnte. An der ersten Abzweigung, die im Nebel fast unsichtbar war, bog ich ab und hielt am Straßenrand an. Ich kurbelte das Fenster etwas herunter und horchte bei abgestelltem Motor.
    Knapp eine Minute später kam das Behördenauto vorbei. Ich hörte das Motorengeräusch und sah schemenhaft die dunkelsilberne Silhouette, aber nicht mehr. Dann wartete ich fünf Minuten, bevor ich auf meiner Route weiterfuhr.
    Auf der Straße über den Paß herrschte klare Sicht, so daß ich eine kurze Atempause bekam, um nachzudenken. Ich fragte mich, warum jeder dieses Manuskript haben wollte, das mir in die Hände gefallen war, und warum es in Runen geschrieben war. Es war sicher keine Korrespondenz, die Großmutter Pandora oder Tante Zoe geführt hatten; und es sah auch nicht so aus, als könnte es sich dabei um Erinnerungen jener Berühmtheiten handeln, mit denen die beiden angeblich verkehrt hatten. Auch war die keltische Sprache seit

Weitere Kostenlose Bücher