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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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per Post, damit ich sie bei meiner Rückkehr vorfinden würde. Als der Pod heute morgen Olivier auf die Suche nach mir schickte, fuhr auch Wolfgang bei der Post vorbei, und als er mich dort voller Panik losfahren sah, beschloß er, Olivier sich selbst zu überlassen und mir nachzufahren.
    Als wir die Talstation erreichten, fragte ich Wolfgang, was die Runen in meinem Rucksack bedeuteten und was ich damit anfangen sollte, nachdem ich sie nicht einmal lesen konnte. Er sagte, es handle sich um die Kopie eines Dokuments; meine Familie in Europa habe ihn gebeten, sie mir zu bringen, und wie er verstanden habe, hätten die Runen etwas mit den Manuskripten zu tun, die ich eben von meinem Cousin Sam geerbt hatte. Er schlug vor, daß wir uns, sobald ich verarztet war, irgendwo hinsetzen und in Ruhe miteinander reden sollten; dann würde er mir sagen, was er sonst noch zu dem Thema wußte.
    Wir verbrachten eine Stunde in der Ambulanz in der Talstation, umgeben von streng riechenden Flaschen und dem Tumult der Leute von der Bergwacht, die mit Tragbahren und Funkgeräten herumliefen, Verletzte an dem Hang bargen, wo die Lawine niedergegangen war, und anhand der verkauften Liftkarten festzustellen versuchten, wie viele Läufer noch nicht heruntergekommen waren. Inmitten dieses Tohuwabohus wurde ich auf einen Tisch gelegt, bekam ein paar Spritzen, den Kopf bandagiert und vierzehn Stiche in den Oberarm.
    Eine Unterhaltung zwischen Wolfgang und mir war hier unmöglich, aber ich konnte meinen eigenen Gedanken nachhängen. Ich wußte, daß unser Nuklearprojekt kein Vorwand für eine Vergnügungsreise von Wolfgang Hauser nach Idaho sein konnte. Es stand fest, daß er ein hoher Beamter der IAEA war; andernfalls hätte er nie Zutritt zu unseren Anlagen bekommen und noch weniger die Erlaubnis, die Personalakte einer mit Sicherheitsfragen befaßten Angestellten der US-Regierung einzusehen. In dieser Hinsicht war alles korrekt.
    Doch eine andere Frage blieb offen: Wie kam es, daß Prof. Dr. Wolfgang K. Hauser in Idaho eintraf, als ich noch in San Francisco auf Sams Beerdigung war? Wie konnte jemand gewußt haben – und es muß jemand gewußt haben –, daß durch Sams Tod jene anderen, noch fehlenden Dokumente in meine Hände fallen würden?
    Mit meinem genähten Arm in der Schlinge und vollgepumpt mit schmerzstillenden Mitteln stimmte ich Wolfgangs Vorschlag zu, daß er mich in meinem Wagen nach Hause fahren und den Firmenwagen abholen lassen würde.
    Während der Rückfahrt war ich ziemlich benommen. Ais die Betäubung nachließ und die Schmerzen einsetzten, nahm ich die Tablette, die mir der Arzt mitgegeben hatte. Leider fiel mir zu spät ein, daß ich gewöhnlich auf Kodein überreagierte. Kurz danach hatte ich das Gefühl, als hätte ich einen Hammerschlag auf den Kopf bekommen. Während des größten Teils der Fahrt war ich praktisch weggetreten, so daß meine Frage unbeantwortet blieb.
    Es war bereits dunkel, als wir zurückkamen. Obwohl ich mich später nicht erinnern konnte, daß ich Wolfgang den Weg zu mir nach Hause erklärt hatte oder wie wir dort ankamen, wußte ich noch, daß ich in der Einfahrt im Wagen saß und daß mich Wolfgang fragte, ob er meinen Wagen behalten könne, um zu seinem Hotel zu fahren, oder ob er sich bei mir telefonisch ein Taxi bestellen solle. Was ich geantwortet habe, wußte ich nicht mehr, und auch alles andere blieb verschwommen.
    Man stelle sich also meine Überraschung vor, als ich am nächsten Morgen erwachte und feststellte, daß ich in meinem Bett lag und meinen Rucksack und alles, was ich tags zuvor anhatte, zusammen mit einem schwarzen Skianzug, der nicht mir gehörte, auf einem Stuhl auf der anderen Seite des Zimmers liegen sah. Unter der Bettdecke schien ich nichts anderes auf dem Leib zu haben als meine langen seidenen Unterhosen.
    Ich richtete mich auf und sah mit Schrecken den strubbeligen Kopf, einen gebräunten Arm und die nackten, muskulösen Schultern von Wolfgang Hauser, der in meinem Schlafsack auf dem Boden schlief. Als er sich kurz darauf umdrehte, konnte ich im fahlen Morgenlicht, das durch die vergitterten Fenster fiel, sein Gesicht sehen: dichte dunkle Wimpern über kräftigen Wangenknochen, die lange schmale Nase, das kantige, gefurchte Kinn und den sinnlichen Mund. Sein Profil hätte das einer römischen Skulptur sein können. Sogar im Schlaf war er der attraktivste Mann, den ich je gesehen hatte. Aber was tat er halbnackt in meinem Schlafsack auf dem Fußboden meiner

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