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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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du seist ein Freund meines Onkels Lafcadio, aber er hat mir gegenüber nie deinen Namen erwähnt. Ich denke, du solltest wissen, daß ich ihn nächstes Wochenende in Sun Valley treffen werde. Da wird sich die Wahrheit schnell herausstellen.»
    «Ich sagte, er ist ein Bekannter, nicht ein Freund.» Er wandte sich mit ausdrucksloser Miene ab. Dann stand er auf und blickte auf mich hinunter. «Bist du jetzt fertig?»
    «Nicht ganz», sagte ich, froh, daß ich meinen Gefühlen endlich Luft machen konnte. «Wie kommt es, daß anscheinend jeder schon vor dem Tod meines Cousins gewußt hat, daß ich diese verdammte Erbschaft machen werde?»
    «Ich kann dir das alles sagen, wenn du es wirklich hören willst», sagte Wolfgang ruhig. «Aber ich muß vorausschicken, daß ein solches Wissen sehr, sehr gefährlich sein kann.»
    «Wissen ist nie gefährlich», erklärte ich mit zunehmendem Ärger.
    «Nicht wissen ist gefährlich – besonders wenn es sich um Dinge handelt, die das eigene Leben betreffen. Ich habe es satt, daß mir Dinge verheimlicht werden, weil es angeblich zu meinem Besten ist! Ich habe es satt, immer im dunkeln zu tappen!»
    Als ich das sagte, wurde mir plötzlich klar, wie ernst es mir war. Denn das war es, was in meinem Leben von Grund auf nicht stimmte. Es war nicht nur die Angst vor dem Unbekannten, vor einem geheimnisvollen Paket – selbst wenn dessen Inhalt lebensgefährlich sein konnte. Es war diese obligatorische Verschwiegenheit – sowohl in meiner Arbeitswelt als auch in meiner Familie. Nichts konnte offen und ungeniert getan werden. Alles mußte heimlich geplant und verabredet sein.
    Dank Sam war ich eine Meisterin in diesem Spiel geworden. Dank Sam traute ich niemandem – und niemand konnte mir trauen.
    Wolfgang beobachtete mich mit einem merkwürdigen Ausdruck. Mein leidenschaftlicher Ausbruch hatte auch mich überrascht. Ich hatte bis jetzt nicht gewußt, wie tief diese Gefühle i n mir begraben lagen – oder wie schnell sie hervorbrechen konnten.
    «Wenn es das ist, womit ich dein Vertrauen gewinnen kann, dann werde ich dir stets sagen, was du wissen möchtest, so gefährlich das auch für uns beide sein könnte», sagte er, und er schien es ernst zu meinen. «Es ist unbedingt notwendig, daß du mir vertraust, selbst wenn dir die Antworten nicht gefallen. Die Person, die mich hierhergeschickt hat, bat mich auch, dir das Runenmanuskript zu geben.» Er wies auf meinen Rucksack auf dem Stuhl. «Obwohl du sie nicht kennengelernt hast, wirst du doch ihren Namen kennen. Es ist deine Tante Zoe Behn.»
    Ich fragte mich, warum ich in brenzligen oder aufregenden Situationen immer «heilige Scheiße» sagen mußte. Ich meine, was genau ist heilige Scheiße? Produzierten Götter oder Heilige Abfall wie die übrige Menschheit? Und war ich tatsächlich so phantasielos, daß mir kein anderer Ausdruck mehr einfiel – nicht einmal, wenn ich Selbstgespräche führte?
    Aber in meinem Beruf gehörte es irgendwie dazu, über Abfall zu witzeln – wahrscheinlich, weil das Hinterherräumen im Schlepptau einer sich dauernd vergrößernden und immer mehr Abfall produzierenden Bevölkerung auf diesem immer kleiner werdenden Planeten eine ziemlich irremachende und deprimierende Aufgabe war.
    Insofern war es nicht ungewöhnlich, daß ich an diesem Morgen von Olivier im Büro mit einer aufmunternden Wiederholung des Tom Lehrer Lieds Pollution begrüßt wurde, das sich in unserer Abteilung besonderer Beliebtheit erfreute wegen solcher Sätze wie: «Den Frühstücksmüll aus der San Francisco Bay trinkt man zum Lunch in San Jose.» Oliver schnippte mit den Fingern den Takt dazu, als ich eintrat drehte er sich auf seinem Stuhl um und sah mich an.
    «O gütiger Prophet Moroni!» rief er. «Du siehst ja aus wie etwas, das der kleine Argonaut ins Haus zu schleppen pflegt, wenn du mir das nicht übelnimmst. Was ist passiert? Bist du gegen eine Laterne gerast in deinem gestrigen Wahn, Fußgänger umnieten zu wollen?»
    «Nein, aber in eine Lawine», entgegnete ich. Sobald Wolfgangs Firmenwagen abgeholt war und herauskam, daß er und ich den ganzen Tag Ski laufen waren, würde sich sowieso die ganze Firma das Maul zerreißen. «Das vor der Post tut mir leid, Olivier. Ich bin ein bißchen verwirrt in letzter Zeit.»
    «Eine Lawine? Auf dem Weg von der Post zur Arbeit? Oje, es wird ja richtig abenteuerlich in unserem Dörfchen», sagte Olivier, während er aufstand und mir fürsorglich den Stuhl zurechtrückte. «Aber du bist den

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