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Neville, Katherine - Der magische Zirkel

Titel: Neville, Katherine - Der magische Zirkel Kostenlos Bücher Online Lesen
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wußte ich es.
    Genau unter mir, wo der Wald endete, war die Kante einer tiefen Spalte, die wie eine Sprungschanze in die Luft ragte. Ich konnte nicht darüber hinaussehen, aber ich wußte bereits, was dahinter lag. Ich war früher schon viele Male über diese Kante gefahren, indem ich die Skispitzen einfach abkippen ließ und wie eine Träne an der senkrechten Wange des Felsens hinunterglitt in die Schlucht, wo ich dann in einem Felsenmeer Slalom fuhr.
    Aber bei dem Tempo, das ich jetzt fuhr und das ich nicht verringern durfte, würde ich nicht über die Kante abtauchen können. Ich mußte entweder die Schlucht umfahren – das hieß, auf den offenen Hang hinausfahren, wo meine Chancen praktisch gleich null waren, denn die Lawine hatte mich inzwischen fast eingeholt –, oder ich sprang, wie Wolfgang gesagt hatte, und betete, daß ich dreißig Meter tiefer aufrecht auf meinen Skiern und auf Schnee landen würde und nicht auf hartem Fels.
    Für lange Überlegungen blieb mir keine Zeit. Ich schlüpfte aus den Stockschlaufen und ließ die Stöcke fallen, damit ich bei der Landung nicht aufgespießt wurde. Dann warf ich den Parka ab, den ich um die Taille gebunden hatte, um mich freier bewegen zu können. Nur den verdammten Rucksack wurde ich nicht mehr los, bevor ich zum Sprung ansetzen mußte. Also mußte er mit. Ich würde fliegen wie der Glöckner von Notre-Dame.
    Ich ging tief in die Hocke, um schneller zu werden und eine bessere Körperbeherrschung zu haben. Als ich über den Felsvorsprung schoß, hob ich den Körper an und streckte mich mit angelegten Armen und vorgerecktem Kinn dem Wind entgegen, damit ich von der Klippe wegkam und sauber landen würde.
    Meine Ski lagen auf bodenlosem Raum. Ich sauste in die Schlucht, ich fiel im freien Fall, und ich wußte, ich mußte mich konzentrieren und durfte nicht in Panik geraten. Ich bemühte mich, die Skispitzen hoch- und zusammenzuhalten, während Schnee und Geröll von der Klippe stürzten und um mich herumwirbelten. Ich fiel und fiel. Als sich der Abgrund unter mir auftat, sah ich, wie schmal das weiße Band aus Schnee dort unten war und wie zahlreich und groß die Felsbrocken waren. Und wieder dachte ich an das Schlangenungeheuer und den starrenden Rachen des Todes.
    Sekunden später, die mir wie eine Ewigkeit in einem bösen Traum vorkamen, landeten meine Ski auf Schnee, aber gleichzeitig schlug ich mit dem Arm gegen einen Felsen. Wie ein Sägemesser schlitzten die zerklüfteten Ränder den Ärmel meines silbernen Skianzugs auf und das Fleisch darunter, vom Ellbogen bis zur Schulter. Durch den Aufprall wurde ich zur Seite geschleudert, und ich verlor die Balance. Obwohl ich noch keinen Schmerz empfand, fühlte ich das Übelkeit erregende Pochen, als das warme Blut in meinen Ärmel sickerte.
    Während riesige, gezackte Felsbrocken wie verschwommen an mir vorbeiflogen, bemühte ich mich verzweifelt, auf den Beinen zu bleiben. Aber ich hatte ein solches Tempo – und keine Stöcke, die mir etwas Halt gegeben hätten. Ich schaffte es nicht, meine Ski unter Kontrolle zu bringen. Ich verkantete, geriet ins Schleudern, und dann flog ich. Ich überschlug mich, meine Ski schlugen auf Stein, die Bindungen öffneten sich, und ich prallte gegen Felsen, wobei sich der dicke Rucksack mehrmals als schützender Puffer bewährte.
    Aber meine Schultern und Schienbeine bekamen einiges ab. Sie krachten von einem Stein auf den anderen, während ich mit dem blutenden Arm meinen Kopf zu schützen versuchte. Ein loser Ski schnellte hoch und verpaßte mir eine Platzwunde an der Stirn. Schließlich wurde ich gegen einen großen Steinblock geschleudert und blieb Siegen.
    Ich blutete, und die Schmerzen setzten ein, aber das Dröhnen und Donnern über mir erlaubten jetzt keine Verschnaufpause. Schnee und Schutt prasselten in solchen Mengen in die Schlucht, daß sie den Himmel verdunkelten. Ganze Bäume, mit Wurzelballen und Krone, schleuderten über mir durch den Raum. Der Sprung über die Kante hatte mir einen Vorsprung verschafft. Ich hatte eine Chance, davonzukommen, aber nur wenn ich in Bewegung blieb.
    Ich rappelte mich auf, legte die Ski nebeneinander, die noch an den Fangriemen hingen, und stieg, so schnell ich konnte, wieder in die Bindung. Dann lief ich im Schlittschuhschritt los, schlängelte mich auf Eis und Schnee zwischen den Felsbrocken der Schlucht bergab, und dann holte mich ein keuchender Wolfgang Hauser ein.
    «Mein Gott, Ariel, Sie sehen schlimm aus», stieß er hervor, als

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