Neville, Katherine - Der magische Zirkel
Wohnung?
Er schlug die Augen auf, als hätte er meine Gedanken gehört, stützte sich auf den Ellbogen und lächelte mich an. Diese unglaublichen türkisblauen Augen hatten eine gefährliche Sogwirkung, so gefährlich wie die unsichtbare Strömung des Schlangenflusses.
«Ich hoffe, Sie halten mich nicht für aufdringlich, weil ich hier übernachtet habe», sagte er. «Aber als ich Ihnen gestern aus dem Wagen half, sind Sie ohnmächtig geworden. Ich konnte Sie gerade noch auffangen. Irgendwie habe ich Sie dann hier heruntergebracht und aus diesen zerrissenen und blutverschmierten Klamotten geschält. Ich hatte Angst, Sie in diesem Zustand allein zu lassen. Wie geht es Ihnen?»
«Ich weiß es noch nicht so recht», sagte ich. Mein Kopf fühlte sich noch immer wie mit Watte gefüllt an, und mein Arm brannte wie Feuer. «Danke, daß Sie geblieben sind. Sie haben mir gestern das Leben gerettet. Ohne Sie läge ich jetzt unter Schnee und Schutt auf dem Grund eines Canyons. Ein bißchen schwach fühle ich mich noch.»
«Sie haben seit gestern mittag nichts gegessen.» Wolfgang setzte sich auf und öffnete den Reißverschluß des Schlafsacks. «Eigentlich müßte ich sofort los. Durch unseren gestrigen Ausflug bin ich etwas in Verzug geraten. Aber zuerst gibts Frühstück. In die Geheimnisse Ihrer Küche hat mich Ihr Kater bereits gestern nacht eingeweiht. Er schien zu erwarten, daß ich ihm etwas zu fressen gebe.»
«Ich glaube es nicht», sagte ich lachend. «Sie retten mein Leben und füttern sogar meinen Kater! Wo ist er denn?»
«Vielleicht ist er diskret», sagte Wolfgang mit einem verschwörerischen Lächeln.
Dann drehte er sich um und kroch aus dem Schlafsack mit nichts weiter an als seinen Unterhosen. Er holte sich seinen schwarzen Skianzug und zog ihn rasch an, doch ich konnte nicht umhin zu bemerken, daß Prof. Dr. Hauser einen phantastischen Körper hatte. Bevor er sich umdrehen und meine heimlichen Gedanken an meinen brennenden Wangen ablesen konnte, schnappte ich mir ein Kissen und hielt es mir vor das Gesicht.
Aber zu spät. Die Sprungfedern quietschten leicht, als er sich auf den Bettrand setzte. Er nahm mir das Kissen weg und küßte mich.
Es ist nicht so, daß ich noch nie geküßt worden wäre – aber so geküßt wurde ich noch nie. Keine bedeutungsschwangeren Seufzer, kein Lippenbeißen, Speicheln, Herumtappen oder theatralisches Getue, wie das in meiner kaum erwähnenswerten Vergangenheit häufig der Fall war. Statt dessen wurde bei der Berührung unserer Lippen eine Energieflut freigesetzt, die von ihm auf mich überging und mich mit heißem Begehren erfüllte. Nach diesem Kuß war mir, als hätten wir uns bereits geliebt und müßten es jetzt noch einmal und noch einmal tun.
Ich fragte mich, ob sich dieser Wolfgang Hauser auf Flaschen ziehen und lagern ließe.
«Ariel, du bist so schön», sagte er, während er mit den Fingerspitzen mein Haar berührte. «Sogar jetzt mit all deinen Wunden und blauen Flecken möchte ich mit diesem wunderbaren Körper Dinge tun, die ich noch mit niemand getan habe.»
«Ich denke… ich glaube nicht…» stammelte ich hirnlos. Wolfgang legte einen Finger auf meine Lippen.
«Laß mich weiterreden», sagte er. «Gestern ist zwischen uns alles schiefgelaufen, weil ich versucht habe, die Dinge zu überstürzen. Ich bewundere dich außerordentlich. Du bist sehr stark und sehr tapfer. Weißt du, daß dein Name früher einmal ein alter Name für Jerusalem war? ‹Ariel› bedeutete einst ‹Löwin Gottes›.»
«Löwin?» sagte ich und gewann zum ersten Mal nach Wolfgangs Kuß meine normale Stimme wieder. «Da habe ich ja einen Ruf zu verlieren.»
«Das gleiche gilt für ‹Wolf›», sagte er mit einem geheimnisvollen Lächeln.
«Ich verstehe – wir sind beide Jäger», sagte ich und lächelte zurück. «Aber ich jage solo, während ihr Wölfe in Rudeln jagt.»
Er ließ meine Haarsträhne los, mit der er gespielt hatte, und sah mich nachdenklich an.
«Ich jage dich nicht, Ariel. Du traust mir immer noch nicht», sagte er ernst. «Ich bin hier, um dir zu helfen und dich zu beschützen. Die Gefühle, die ich vielleicht für dich hege, sind mein Problem – nicht deins –, und sie sollten mit den Zielen oder dem Auftrag der Leute, die mich hergeschickt haben, nicht kollidieren.»
«Du sprichst von Leuten, die dich hergeschickt haben, aber du sagst nie, wer sie sind», entgegnete ich ungeduldig. «Und warum hat man mir nichts gesagt? Gestern hast du behauptet,
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