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New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
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ist dann die Einlieferung ins Müttergenesungswerk quasi inbegriffen. Außerdem überlege ich ernsthaft, in Zukunft nur noch Röcke zu tragen, die übers Knie gehen, weil meine Knie über Nacht knubbelig und fett zugleich geworden sind. Wie geht eigentlich so was? Und wenn ich länger als bis Mitternacht aufbleibe und mehr als zwei Glas Wein trinke, bin ich am nächsten Tag derart erschossen, als hätte ich ein ganzes Wochenende durchgesoffen. Weißt du, wie man diesen Zustand nennt, Justus?« Sie gab ihm gar keine Gelegenheit zum Antworten. Ohnehin wäre in der jetzigen Situation jede Antwort falsch gewesen. »Alt! Alt nennt man ihn.«
    Justus musste lachen. »Ich würde ihn überarbeitet nennen, meine Liebe.« Er legt ihr die Hände auf die Schultern und massierte ihren Nacken.
    »Justus, was passiert, wenn wir mit Sehnsucht scheitern?«, fragte Zoe plötzlich.
    »Aha! Daher weht der Wind. Dass ihr Frauen eure Sorgen immer so umständlich ausdrücken müsst. Vor was hast du eigentlich Angst?«
    »Vor dem Scheitern!«
    »Dem Scheitern von Sehnsucht oder dem Scheitern mit Tom?«
    »Du Hobbypsychologe tust gerade so, als ob das etwas miteinander zu tun hätte.«
    »Hat es das nicht?«, fragte Justus und sah Zoe erwartungsvoll an.
    »Nein! Na ja, vielleicht ein klitzekleines bisschen.«
    »Und inwiefern?«
    »Ach, weiß ich auch nicht.« Zoe schaute bockig zum Fenster hinaus.
    Justus drehte ihren Bürostuhl um, sodass sie ihm ins Gesicht sehen musste. »Raus damit! Nun mach schon!«
    »Wenn Sehnsucht scheitert, habe ich nichts.«
    »Du hast Tom. Er hat sich doch nicht in Sehnsucht verliebt, Zoe, sondern in dich.«
    »Aber alle werden dann denken, dass ich es nur wegen seines Geldes auf ihn abgesehen habe. Insbesondere seine Mutter. Weil ich ohne Sehnsucht völlig abhängig bin von ihm.«
    »Das ist doch Quatsch. Außerdem kannst du dir nicht Gedanken über Dinge machen, die noch gar nicht eingetroffen sind.«
    Doch genau das konnte Zoe Schuhmacher. Sie war geradezu Weltmeisterin darin. Schon als Kind hatte sie nächtelang wach gelegen und gebrütet, ob der Zahnarzt bohren und wie sehr es weh tun würde, sobald ihre Mutter einen Termin gemacht hatte. Als Teenager hatte sie tagelang überlegt, ob sie dem Jungen aus der neunten Klasse, den sie so schrecklich toll fand, wirklich den Zettel, den sie die letzten drei Wochen lang sorgfältigst formuliert hatte – er enthielt den einen Satz: »Willst du mit mir Eis essen gehen?« – geben sollte. Oder ob er ihn dann mit einer Reißzwecke für alle sichtbar ans Schwarze Brett der Schule heften und sie zum Gespött ihrer Klassenkameraden machen würde? Zoe war so eine Art Worst-Case-Szenario-Typ, der sich immer den schlimmsten anzunehmenden Ernstfall einer Sache vorstellte. Was ihr erstaunlicherweise im Leben weiterhalf, weil diese Katastrophen bekanntlich so gut wie nie eintrafen. Es ging nur eine Menge Zeit – und Magenschmerz – mit Grübeln bei dieser (Über-)Lebensmethode drauf.
     
    *
     
    »Hast du morgen zum Lunch eigentlich schon etwas vor«, fragte Tom, als sie sich abends in der Orchard Street bei Mission Chinese zum Dinner trafen. Einer wahren Spelunke, die der neue Gastrokritiker der New York Times gerade zu einem der zehn besten Restaurants der Stadt erklärt hatte. Das Foyer im Souterrain erinnerte Zoe an eine schmierige Take-out-Bude, wo die chinesischen Gerichte keine Namen hatten, sondern Nummern und für alle, die zu blöd waren, bis zehn zu zählen, sicherheitshalber auch noch per Foto an den Wänden hingen. Aber das war sicher alles ironisch gemeint, schlussfolgerte Zoe. So wie Hipster sich ironisch Hässlichkeiten wie Hirschgeweihe an die Wände hängten. Oder Truckerbärte im Gesicht stehen ließen, die jeden noch so attraktiven Mann aussehen ließen wie einen Pornodarsteller der späten Siebziger.
    »Nein«, antwortete Zoe und probierte die smashed cucumbers , die gerade serviert worden waren. Sie lösten ein wahres Geschmacksfeuerwerk aus scharf und kalt auf ihrer Zunge aus. »Hast du etwa Zeit?«
    »Kitty möchte dich zum Lunch ins Four Seasons einladen.«
    Da verschlug es Zoe schlagartig den Appetit. Nach ihrer Konversation mit Allegra hatte sie sich nicht mehr getraut, Tom von dem seltsamen Vorfall mit seiner Mutter am Strand zu erzählen. Sie war sich jetzt selbst nicht mehr sicher, wie ernst sie die »verhärmte, alte Schachtel«, wie Al sie so charmant nannte, nehmen sollte. Aber lunchen wollte sie nun wirklich nicht mit ihr. Schon gar nicht

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