New York für Anfaengerinnen
vor, der mit der passenden Prise Ironie das geknöpfte Oberhemd eines Tankstellenwarts aus den Fünfzigerjahren trug, inklusive eines gestickten Namensschildchens auf der Brust. »Bist du zum ersten Mal hier?«
»Hi, ich heiße Zoe und bin supper-club -Novizin sozusagen. Kommst du öfter?«
»Meine Frau und ich gehen quasi nur noch in supper clubs essen. Wir haben kommerzielle Restaurants einfach satt. Ich möchte wissen, wer mein Essen kocht, woher die Zutaten kommen und welche Idee hinter dem Menü steckt. Das ist viel individueller. Viel persönlicher. Und das Publikum ist auch viel spannender.«
»Wer sich als Teenager und in seinen Zwanzigern über Musik definierte …«, begann Zoe.
»… The Cure oder Depeche Mode zum Beispiel …«, fiel ihr Tyler ins Wort.
»… definiert sich in seinen thirties oder forties über das Essen«, spekulierte Zoe.
»Absolut richtig«, stimmte ihr Tyler zu. »Kaltgepresstes natives Olivenöl, Tomatensorten aus traditioneller Züchtung, human geschlachtetes Bio-Fleisch.«
Tyler schien der Prototyp ihres Sehnsucht -Users zu sein, kam es Zoe in den Sinn.
»Was machst du?«, fragte er sie prompt.
»Ich habe gerade ein Start-up gegründet, das Sehnsucht heißt und übermorgen live gehen wird«, antwortete Zoe und erklärte anschließend in knappen Sätzen ihr Projekt.
Tyler war begeistert. »Das wird das nächste Etsy!«
»Na, warten wir’s mal ab«, sagte Zoe verhalten und befahl ihrem monkey mind , wie Justus die Grübelmaschine Gehirn gerne nannte, Ruhe zu bewahren.
Während des Zwischengangs, der aus Spargel-Icecream mit Speck und Vichy Sauce bestand, unterhielten sie sich über Immobilienpreise in Manhattan im Vergleich zu Cobble Hill (in etwa gleich), Bushwick als das neue Williamsburg (nicht ganz) und juice cleanses , Saftkuren, die Gwyneth Paltrow mit ihrem Blog Goop hip gemacht hatte.
Danach wandte Zoe sich Tom zu. »Ich vermisse Brooklyn. Auch wenn ich hier nur ein paar Wochen gewohnt habe«, sagte sie. »Vielleicht sollten wir irgendwann nach Brooklyn ziehen?«
»Aber nur, wenn wir vorher die Sache mit dem Ehevertrag geklärt haben, meine Liebe«, antwortete Tom.
Zoe verdrehte genervt die Augen. »Also gut. Was willst du von mir?«
»Dass du den Vertrag unterzeichnest.«
»Ich will mich aber nicht kaufen lassen.«
»Hier will dich keiner kaufen, Zoe Es ist zu deiner eigenen Absicherung«, erklärte Tom zum wiederholten Mal geduldig.
Da hatte Zoe Schuhmacher plötzlich einen brillanten Einfall. »Also gut!«, rief sie.
Tom sah sie überrascht an. »Du unterschreibst?«
»Ja«, antwortet Zoe triumphierend. »Ich unterschreibe. Und im Fall der Fälle, wie du es so schön nennst, werde ich das gesamte Geld der Bowery Mission für Obdachlose spenden.«
»Du spinnst«, brachte Tom nur heraus.
»Und genau deshalb liebst du mich«, konterte Zoe und hob ihr Glas zum Anstoßen.
Nach dem Dessert standen die Gäste auf und liefen neugierig an den südlichen Rand des Daches, weil man aus dieser Richtung schon länger seltsames Platschen, gefolgt von Quietschen und Jauchzen gehört hatte. Sie guckten über die Balustrade und sahen, wie unten auf dem Innenhof eine Gruppe Collegekids in Unterwäsche von einem aus aufeinandergestapelten Holzkisten gebauten Sprungturm in einen mit Wasser gefüllten industriellen Müllcontainer hüpften. Sie hatten sich ihren ganz privaten Swimmingpool eingerichtet.
»Da bekommt dumpster diving eine ganz neue Bedeutung!«, rief Tom amüsiert und legte den Arm um Zoe. Seit die Sache mit dem Vertrag geklärt war – wenn auch auf Zoes ganz spezielle Art und Weise –, war er sichtlich entspannter.
Zoe lachte. »Wie schreibt Cindy Adams in der New York Post immer? Only in New York, kids. Only in New York. «
AUGUST
4. August. Der Tag aller Tage. Zoe lief jetzt jeden Morgen immer zu Fuß von der Wooster Street in SoHo bis hinauf in den Flat Iron District ins Büro. Schließlich musste sie keine hohen Schuhe mehr tragen wie noch in der Redaktion von VISION . Im Start-up-Inkubator General Assembly waren Flip-Flops angesagt, Adiletten oder Chucks. Als sie zur Kreuzung Broadway und Houston kam, fiel ihr Blick auf das riesige Billboard, das vielleicht hundert Meter weiter an der Lafayette Street über der seltsamen Tankstelle stand, die ausschließlich Taxifahrer zu frequentieren schienen. Normalerweise wurde dort oben immer mit irgendeiner ikonischen New-York-Szene Werbung für Calvin Klein gemacht. Doch heute stand da ein Slogan in
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