New York für Anfaengerinnen
mir seinen Golfplatz, die Basketballhalle und seine nach Normen des internationalen Eishockeyverbandes errichteten überdachten Eislauffläche gezeigt hat.«
»Der Mann spielt Golf, Basketball und läuft Schlittschuh?«, staunte Zoe. Gunn war höchsten 1,75 groß und hatte sich einen kugelrunden Bauch wie eine Schwangere im sechsten Monat angefressen. Darling hingegen verfügte über kein absaugenswertes Fettpölsterchen an ihrem makellosen Körper, dafür aber über eine Körbchengröße von mindestens Doppel D. Die beiden passten so exakt zusammen wie zwei Puzzelstückchen.
»Ach was«, meinte Mimi. »Sein Nachbar zur Linken hat im Garten ein antikes französisches Karussell, importiert aus Paris. Der zur Rechten einen Pool in Olympiagröße samt Wellenbadanlage und freistehender Eisdiele. Das galt es wohl zu toppen.«
Auf dem Weg ins Esszimmer, das mit seinen gülden getäfelten Wänden eher einem der Speisesäle von Versailles glich, wie Walt Disney sie in einem seiner Vergnügungsparks nachbauen würde, kamen sie an einem Lichtenberg, einem Gursky sowie einem Hirst vorbei. Zoe konnte sich nicht auf sie konzentrieren. Ihr Magen knurrte. Sie hatte Hunger. Im Dining Room hingen direkt hinter dem Tischherrn am Kopfende zwei weitere Werke, zu denen ihr aber nicht einmal Mimi etwas Schlaues ins Ohr flüstern konnte. Eines war einfach nur eine weiße Leinwand, das andere von exakt der gleichen Größe wirkte auf Zoe etwa so wie Kinderwachsmalkreide-Schmierereien in Weiß, Schwarz und Grau. Ein früher Jackson Pollock vielleicht?
Das Galerieschild rechts unten löste das Rätsel: Krieg der Pfeffer- und Salzkörner , hieß es darauf. Von Dominik Charles Gunn Jr, drei Jahre.
»Der Sohnemann ist ja ein richtig kleiner Künstler«, versuchte Zoe Darling ein Kompliment zu machen, die sich zu ihr gesellt hatte. Keiner der Gäste hatte es bisher gewagt, sich zu setzen. Offenbar stand erst das gebührende Bewundern der Kunstsammlung auf dem Programm.
»Ja, ein Riesentalent«, antwortete diese, verzog dabei aber das Gesicht, als ob sie Schmerzen beim Anschauen des Werkes hätte.
»Na, komm, Darling«, warf Gunn ein. »Die Geschichte ist zu gut, die müssen wir unbedingt zum Besten geben.«
»Wenn’s denn sein muss«, erlaubte Darling sichtlich verschnupft.
»Sehen Sie das Werk daneben, meine Liebe?«, fragte Gunn. Links neben dem Krieg der Salz- und Pfefferkörner hing einfach eine weiße Leinwand mit nix drauf und folgerichtig auch nix zu sehen.
»Ja«, antwortete Zoe etwas zögerlich, meinte aber eigentlich nein.
»Das ist Eintausend Stunden Angestarrt von Thomas Friedman. 2007-2012«, erklärte Gunn.
»Ich verstehe nicht richtig.« Das Bild schaute aus wie ein Rothko ohne Farbe. Wie eine leere Leinwand vom Künstlerfachbedarfversand.
»Der Maler hat die Leinwand tausend Stunden lang angestarrt«, wiederholte Gunn.
Angestarrt? Tausend Stunden? Ich meine, wirklich?, dachte Zoe.
»Konzeptuelle Abwesenheit nennt sich das, meine Liebe«, erklärte Gunn geduldig wie in einer Erstvorlesung über Grundlagen der Kunstgeschichte, weil er offenbar erkannt hatte, dass Zoe keinen blassen Schimmer von irgendwas hier hatte.
»Und was ist, wenn er das nur so gesagt hat?«, entfuhr es ihr, und sie wurde sofort knallrot, weil ihre Frage zwar grundehrlich, aber vielleicht auch grunddoof war. Nur konnte sie das momentan leider nicht selbst beurteilen.
»Aber genau darum geht es doch. Hat er es angestarrt? Hat er es nicht angestarrt? Wäre das Werk dasselbe, wenn er es nicht getan hätte?«
»Ach so«, flüsterte sie kleinlaut und sah immer noch lediglich eine weiße Leinwand vor sich.
Was so ein Werk wohl kostete? 500.000 Dollar? Eine Million? Oder gar mehr?
»Aber das ist nicht die Geschichte, die du erzählen wolltest, Schatz«, meldete sich Darling zu Wort.
»Ja«, lachte Gunn und zeigte erst auf den Friedman, dann auf das Kinderbild. »Das hier links ist nicht das Original. Wir haben es noch einmal anfertigen lassen, nachdem unsere unwissende Nanny unseren Dreijährigen auf dem Original mit Wachsmalfarben herumkritzeln ließ. Das Original hat Friedman von 1992-97 angestarrt, bevor mein Sohn es 2007 verschönert hat. Wir haben den armen Friedman dann dafür bezahlt, dass er sich noch einmal tausend Stunden vor eine Leinwand setzt. Verrückt, nicht wahr?«
*
»Das ist also die verrückte Welt der Reichen und Schönen New Yorks«, murmelte Zoe, als Mimi und sie gegen zwei Uhr nachts wieder in der Stretchlimo
Weitere Kostenlose Bücher