New York für Anfaengerinnen
den Leerraum im Gehirn zu überbrücken. Als Zoe jedoch wenig später den U-Bahn-Plan der Stadt New York genauer studierte, wurde ihr klar, dass es nicht wirklich eine U-Bahn-Linie vom Chrysler Building zum Lincoln Center gab. Also lief sie, bis sie endlich an der 6th Avenue ein gelbes Taxi ergatterte, zu Fuß. In ihren acht Zentimeter hohen Louboutin-Hacken.
Vor dem Eingang der Zelte lauerten bereits Paparazzi auf Stars und Sternchen, und Zoe fühlte sich ungemein wichtig, als sie in ihrem Victoria-Beckham-Kleid über den roten Teppich schritt. Dazu trug sie eine Hobo-Tasche von Chloe aus der vorvorletzten Saison, die sie auf einem Sample Sale ergattert hatte. Die PR-Frau von Ralph Lauren musterte Zoe erst kühl, als hätte sie ihr Handtaschenmodell gescannt und herausgefunden, dass es nicht aus der aktuellen Kollektion stammte. Sobald sie aber den Namen Allegra Sollani auf der Einladung sah, führte sie Zoe zuckersüß – wegweisendes Händchen federleicht ihren Ellbogen berührend – in das große Zelt, einfallsreich The Tent genannt. Erste Reihe. Den Namensschildern links und rechts entnahm Zoe, dass sie zwischen It-Girl Alexa Chung und McSchleimi saß.
»Den Spaziergang genossen?«, fragte McSchleimi, bevor er sich neben ihr niederließ.
Er trug Zwei-Tage-Bart, einen körpernah geschnittenen dunklen Anzug, irgendwelche sicher von illegalen tamilischen Kinderarbeitern handgefertigte Schuhe von der Savile Row in London – und sein entzückend schiefes Lächeln. Seine Haare standen wie gehabt geordnet ungeordnet in alle Richtungen.
Besaß der Mann eigentlich keinen Kamm?
Zoe nickte nur gnädig und bemühte sich redlich, ihn die restliche Show über mit Ignoranz zu strafen. Männer sind Nebendarsteller in meinem Leben, Männer sind Nebendarsteller in meinem Leben, Männer sind Nebendarsteller in meinem Leben, wiederholte sie in Gedanken ihr neues Mantra.
Das Licht ging aus, der DJ ließ die Bässe donnern, Lenny Kravitz sang » Are You Gonna Go My Way «. Es fühlte sich seltsam an, im Dunkeln so dicht neben McSchleimi zu sitzen. Irgendwie schwer illegal. Er roch nach McNachbar und Issey Miyake. Sein Arm berührte den von Zoe ganz leicht. Doch dann riss Zoe das erste Model aus ihrem magnetischen McDreamy-Spannungsfeld. Karlie Kloss trug ein bodenlanges, hochgeschlitztes Abendkleid aus rauchigem, taupefarbenen Chiffon, der um ihren Größe-0-Körper herumzufließen schien. Dazu riesige silberne Ohrringe. Kurz bevor sie am Ende der Runway ihre Drehung machte und den Rückweg startete, klickten die Blitzlichter der Fotografen wie Dauerfeuer aus Maschinengewehren.
Zoes heutiges Showpensum war im Grunde wahnwitzig:
10 Uhr Ralph Lauren
11 Uhr Rachel Zoe
12 Uhr Calvin Klein
13 Uhr Elizabeth & James
14 Uhr Patricia Fields
15 Uhr Marchesa
16 Uhr Anna Sui
17 Uhr Reed Krakoff
18 Uhr Betsey Johnson
19 Uhr Proenza Schouler
20 Uhr Marc Jacobs
Im Stundentakt wurde gestöckelt, gelächelt oder wahlweise geschmollt und natürlich geblitzt. Im großen Tent, dann nebenan im kleineren Atelier, zurück ins Tent, auf einen Espresso und ein Glas Champagner in die Presse-Lounge, dann wieder zurück ins Tent. Der Höhepunkt des Tages war aber die Marc Jacobs Show, die off-site in der 69th Regent Armory an der 26th Street stattfand. Weit weg von Uptown. McSchleimi und Zoe hatten den ganzen Tag über kein Wort miteinander gewechselt.
»Willst du bei mir im Auto zu Marc Jacobs mitfahren?«, fragte er, als beide am Ausgang fast zusammenprallten.
»Danke, Mr. Fiorino, aber ich nehme lieber ein Taxi.«
»Du weißt, dass Marc notorisch verspätet anfängt, dass es eiskalt sein wird in der Armory, und dass es in meinem Towncar viel bequemer wäre?«
»Nur über meine Leiche«, antwortete Zoe kühl und stürmte davon.
Natürlich war es unmöglich, abends um kurz vor acht, wenn die letzte Show am Lincoln Center zu Ende war, ein Taxi zu bekommen. »Insider wissen das, Zoe natürlich nicht«, murmelte Zoe genervt und trottete einmal wieder Richtung U-Bahn-Station davon. Als sie abgehetzt und in Dauerpanik, Schweißflecken auf ihr Kleid zu transpirieren, endlich um zwanzig nach acht in der undefinierbaren Gegend (Murray Hill? Gramercy?) bei der Armory ankam, standen vor deren Toren ungefähr zweihundert Menschen Schlange. Die einen wedelten wild mit Einladungskarten, die anderen behaupteten mit schriller Stimme auf der Gästeliste zu stehen. Schwarz beanzugte Türsteher im Footballspielerformat und mit Knöpfen im Ohr
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