New York für Anfaengerinnen
Andy Warhols Factory gehört?«
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Kunst, hatte Zoe am Vorabend gelernt als sie sich mit Mimi im Sant Ambroeus zum Dinner – samt einer kleinen Nachhilfestunde – traf, war spätestens seit 2006 zum Investmentobjekt geworden. Damals hatte der Kosmetik-Tycoon Ron Lauder spektakuläre 135 Millionen Dollar für das Gemälde Adele Bloch-Bauer I von Gustav Klimt hingeblättert – den höchsten Preis, der bis dahin jemals für ein Kunstwerk bezahlt worden war. Das hatte all diejenigen auf den Plan gerufen, die ebenfalls (zu) viel Geld rumliegen hatten: die Hedgefonder.
»Seit die Hedgefonder in den Kunstmarkt eingefallen sind, ähneln die Auktionen bei Christie’s und Sotheby’s einem ‚Wer hat den größten … ähm … Geldbeutel‘«, hatte Mimi ihr erzählt. »Die Preistreiber, die neuen Reichen, kaufen dabei gezielt nur Namen.«
»Kein Wunder«, hatte Zoe mit gespieltem Verständnis eingeworfen. »Wer Chanel am Körper trägt, will halt auch Gerhard Richter im Foyer hängen haben.«
»Es geht beim Kunstsammeln längst nicht mehr darum, ein ästhetisch schönes Werk zu erstehen oder seine Sammlung zu vervollständigen, sondern wie bei der Jagd, den größten 24-Ender zu erlegen«, war Mimi fortgefahren.
In Mimis Galerie fand heute also die Pressekonferenz für die neue Frist-Ausstellung The Square Paintings statt. Zoe beschloss, das Ganze als Recherche für ihr zukünftiges Kunst-Vertical zu betrachten. Der Künstler werde anwesend sein, hatte Mimi angekündigt, was ein Spektakel als solches versprach. Frist war dafür bekannt, nun ja, sagen wir einmal, ungewöhnliche Dinge in der Öffentlichkeit zu tun. Bei einer Ausstellung in London sollte er sich einmal für die Pressefotografen vor einem seiner Werke positionieren, tat das auch, zog aber während des gesamten Blitzlichtgewitters mit zwei Fingern seine Nasenlöcher nach oben – sodass er aussah wie ein menschliches Schweinchen.
Aber auch das war vermutlich Kunst, oder? Und hatte eine Aussage, oder?
Zum Auftakt der Veranstaltung kam Frist auf einem Skateboard in die Galerie gefahren, was Zoe persönlich ein bisschen albern fand, und Mimi ganz offensichtlich richtig blöd, weil das Skateboard schwarze Gummispuren auf dem frisch eingelassenem Boden hinterließ. Der achtunddreißigjährige Brooklynite trug einen groben schwarzen Strickpullover, Adidas Retro-Turnschuhe und war mit Bling-Schmuck behängt, wie ein Hip Hopper der alten Schule.
»Wir freuen uns, Astarot Frist heute persönlich anwesend zu haben, um die Retrospektive The Square Paintings 1997-2012 zu eröffnen«, zuckerwattete Mimi ins Mikrophon und begann, wie im Pressematerial angekündigt, ein kleines Künstlerinterview. Frists Körper stand neben ihr, er schaute in die Luft, pfiff leise vor sich hin, aber Frist selbst schien heute irgendwie nicht zu Hause zu sein.
»Woher kam deine ursprüngliche Inspiration für die Square Paintings , Astarot?«, fragte Mimi und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln von bester Modelqualität, für das alle anwesenden Männer einen Mord begangen hätten.
Frists Kopf senkte sich wie in Zeitlupe, der Mund hörte auf zu pfeifen und die Augen schauten geradeaus durch die Journalisten und die nun auch langsam eintreffenden Sammler hindurch, wie durch einen Tunnel ins dahinter liegende Nichts.
»Astarot?«, versuchte ihn Mimi auf die Erde zurückzurufen. Keine Reaktion. »Astarot?«
Zoe hätte Mimi zu gerne geholfen und den ollen Frist mal ordentlich in die Seite geboxt, schließlich wurde die ganze »Ich bin ein durchgeknallter Künstler«-Nummer jetzt irgendwie langweilig, traute sich aber nicht.
»Okay«, gab Mimi völlig unerschüttert bekannt. »Die Pressekonferenz ist hiermit beendet.« Und lieferte damit Stoff für unzählige Geschichten, die den Mythos Frist nur noch interessanter machen würde. Schlechte Presse war gute Presse, nicht wahr? Zoe allerdings befiel der leise Verdacht, dass Astarot und Mimi das kleine Schauspiel vorhin im Hinterzimmer kichernd miteinander abgesprochen hatten.
Die Galerie war inzwischen voll wie ein Nachtclub am Samstagabend. Vor der Tür parkten schwarze Towncars in zweiter und dritter Reihe und spuckten immer neue Besucher aus. Zoe holte sich ein Glas Champagner von der Bar und schob sich durch die Menge. Zwischen den Beanzugten von der Upper East Side und den lässigen Downtownern ganz in Schwarz standen immer wieder Grüppchen von hippen Collegekids, die unmöglich das Geld für einen Wandschmuck der
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