New York für Anfaengerinnen
wie beim Secret Service hielten stoisch die Stellung. Um 20.45 Uhr, also eine dreiviertel Stunde zu spät, war Zoe endlich drin. Der riesige Armory-Saal mit seinen Säulen und Stuckdecken war noch halb leer. Zoe nahm Platz auf einer kalten Metallbank in der ersten Reihe. Von Hollywood-Promis wie Sofia Coppola und Modemogulen wie Anna Wintour keine Spur. Und keine Show begann, bevor Anna da war. Das war Gesetz. McSchleimi saß wahrscheinlich noch im Fond seines vom Chauffeur gesteuerten warmen Wagens, trank gemütlich einen Americano und las Zeitung.
Es war verdammt kalt in diesem ehemaligen Hauptquartier des 69. Regiments, das die Größe eines Flugzeug-Hangars hatte. 1851 hatte man noch keine Zentralheizungen eingebaut. Und Zoe hatte Hunger. Hunger war ein schlechtes Zeichen im Hause Schuhmacher. Eigentlich war Zoe der Meinung, dass sie trotz der Tatsache, dass sie eine Frau war, eine sehr pflegeleichte Subspezies dieser Art darstellte. Kam ja nicht so oft vor. Aber wehe, wenn sie Hunger hatte. Dann wurde sie ungemütlich.
Es war mittlerweile fünf nach neun. Die Show hätte vor über einer Stunde starten sollen. Das Publikum wurde unruhig. Aber Anna war immer noch nicht anwesend; McSchleimi auch nicht. Zoes Magen knurrte. Sie überlegte einfach zu gehen. Das Ganze war echt eine Zumutung. Glaubte man den Gerüchten, war die Schuhlieferung für Marc Jacobs am Flughafen beim Zoll hängen geblieben und würde erst in ein paar Minuten hier eintreffen. Sollen die Models doch barfuß latschen, dachte Zoe. Ihr war kalt, sie hatte Hunger, und überhaupt fühlte sie sich als Angehörige der Modekritiker-Zunft völlig despektiert. Plötzlich tat sich etwas. 21.37 Uhr. Das Licht wurde abgedunkelt, ein paar Gestalten huschten noch schnell zu ihren Plätzen. Zoe konnte Anna erkennen, die sogar im Dunkeln ihre Sonnenbrille trug, Beyonce Knowles und Winona Ryder. Auch McSchleimi glitt lautlos auf seinen Platz neben Zoe. Er ließ einen Papierbeutel in ihren Schoß plumpsen, der sensationell gut nach Avocado und gegrilltem Hühnchen roch.
»Ein Sandwich. Falls du Hunger bekommst.«
Zoe hätte ihm um den Hals fallen können … und sagte einfach nur sehr erleichtert: »Danke.«
Die Marc-Jacobs-Show war spektakulär, die Kollektion im Achtzigerjahre-Prom-Dress-Stil gehalten. Pretty in Pink traf auf Breakfast Club. Jacobs erlaubte sich den Luxus, für jeden seiner fünfundfünfzig Looks ein eigenes Model zu haben. Keine(r) musste sich umziehen und nochmal raus. Als das Defilee vorbei war, und Marc kurz und ein wenig scheu auf die Runway kam, applaudierten alle. Auch die gnädige Anna. Dann nahm McSchleimi ungebeten Zoes Hand und zog sie durch die Menge gen Hinterausgang.
»Mein Fahrer bringt uns zur Afterparty.«
Zoe nickte nur willenlos.
Die Marc-Jacobs-Afterparty fand im Gramercy Park Hotel statt, wo Allegra gerne abstieg und die regulären Zimmer sechshundert Dollar pro Nacht kosteten. Zoe guckte sich neugierig um. Das Design der Lobby sah aus wie ein Mix aus MoMa, mittelalterlichem Ritterschloss und französischem Boudoir. Die Rose Bar, rechts ab, war für normale Hotelgäste ganz offensichtlich geschlossen und wurde von einem Türsteherfleischberg sowie einem weiblichen Wesen, das dem Körpergewicht nach eine Elfe sein musste, gesichert. Aber McSchleimi, der zweifellos in die exklusive Rose-Bar-Gästeliste eingemeißelt war, zog Zoe ohnehin nur fest an der Hand hinter sich her, weg von der Bar und hin zu den Aufzügen.
Auf die Dachterrasse mit ihren Rattan-Sofas und den Großmutter-Geranien kam nur, wer im erlesenen Besitz einer schwarzen Aufzugkarte war, wusste Zoe von Al. McSchleimi zückte genau jene, steckte sie in den Schlitz und die beiden glitten geräuschlos nach oben zum Penthouse. Der Blick auf das glitzernde Empire State Building bei Nacht, das zum Greifen nah schien, verschlug Zoe kurz den Atem.
»Ich zeig dir schnell etwas«, versprach McSchleimi und zog Zoe weiter in ein Nebenzimmer, das wohl als Raum für private Dinnerpartys gedacht war. An der Wand hing ein riesiges Apotheker-Regal, gefüllt mit Medikamentendöschen und -schächtelchen. Tylenol, Aspirin, Motrin. »Damien Hirsts Pharmacy . Ein Original.«
McSchleimi hielt immer noch ihre Hand. Ihre Schultern berührten sich, und Zoe konnte in dem herunterklimatisierten Raum seine Körperwärme spüren.
Er lächelte sein unglaublich charmantes, schiefes Lächeln.
Blaue Augen.
Bed hair .
McNachbar.
Zoe überkam der dringende Wunsch, ihn jetzt
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