Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
New York für Anfaengerinnen

New York für Anfaengerinnen

Titel: New York für Anfaengerinnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Remke
Vom Netzwerk:
lag, dass man an deutschen Schulen bis einschließlich der zehnten Klasse nichts zu sagen hatte und ab der elften dann plötzlich flüssige Referate vor Mitschülern und Lehrern halten sollte, als habe man sein ganzes Leben nichts anderes getan. Bei den Amis war das anscheinend genau andersherum. Der vierjährige Sohn einer Kollegin von Zoe hatte bereits in der Vorschule angefangen, Vorträge zu halten. Beim sogenannten sharing brachte jede Woche ein anderes Kind ein Lieblingsspielzeug, ein Foto oder einen Gegenstand mit, setzte sich auf einen Stuhl in der Mitte des Morgenkreises und erzählte seinen Mitschülern, was es mit dem mitgebrachten Dings so auf sich hatte. Die Kids konnten es gar nicht abwarten, erneut beim »Mitteilen« dran zu sein, hatte die Kollegin erzählt.
    So war es also kein Wunder, dass Tom jetzt völlig relaxed am Mikro stand, sein charmant-schiefes Lächeln aufsetzte und lässig die achthundert wichtigsten Medien-Macher der Welt begrüßte, als würde er im Kindergarten seinen neuen Stoffteddy vorstellen. Er sah fantastisch aus in seinem schwarzen Tuxedo und hielt eine ebenso fantastische Laudatio auf Sheryl Sandberg. Ein Fotograf schoss währenddessen Bilder von ihm. Picture perfect , dachte Zoe, und dabei fiel ihr ein, dass sie ihn eigentlich noch nie anders gesehen hatte. Der Mann war nicht nur fotogen, er schien auch zu jeder Tages- und Nachtzeit präsentabel auszusehen. Bestimmt hatte er noch niemals in seinem Leben auch nur ein einziges Bild von sich zerrissen. Im Gegensatz zu Zoe, die die Erfindung der Digitalkamera zutiefst begrüßte, weil sie dann nicht mehr mit einem Packen von Abzügen im Fotoladen stehen musste, von welchen sie erst einmal ein Drittel peinlich berührt aussortierte.
    Als Tom sich nach tosendem Applaus fast ein wenig verlegen mit der Hand durch die ordentlich unordentlichen Wuschelhaare fuhr und von der Bühne wieder an seinen Tisch zurückkehrte, trafen sich ihre Blicke. Zoe wurde warm, sie lächelte und hob die Hand zu einem Winken. Er winkte zurück und gestikulierte ein »Ich hab meine Pflicht erfüllt, wir treffen uns gleich draußen«.
     
    Der Mond warf einen silbrigen Streifen bis zum Horizont auf den Atlantik, der an diesem Abend glatt wie ein Spiegel war. Zoe hatte ihre Riemchensandalen ausgezogen und es sich auf einer der Doppel-Strandliegen bequem gemacht, die mit Matratze und Dekokissen eher an Betten erinnerten. Als sie Schritte hörte, drehte sie sich um und sah, wie Tom mit zwei Cocktails in den Händen, die sogar mit Schirmchen dekoriert waren, auf sie zukam.
    »Das ist jetzt aber kein Sex on the Beach?«, versuchte Zoe einen Witz zu machen und schämte sich in der Sekunde, als er ihren Mund verlassen hatte, für seine Plattheit.
    »Es hat irgendeinen anderen grausamen Namen«, kommentierte Tom die Alkoholmixtur in Sonnenuntergangsschattierungen. »Im Süden am Strand muss man so einen Quatsch einfach trinken.«
    »Aber nur einen, Freunde haben nämlich keinen Sex am beach «, versuchte Zoe zu retten, was nicht mehr zu retten war. Verdammt, dachte sie. Ich plappere blödes Zeug daher wie ein nervöses Schulmädchen.
    Tom schien es nicht bemerkt zu haben. »Auf die Freundschaft!«
    »Auf die Freundschaft!«
    Beide tranken aus ihren bauchigen Gläsern, und beide schüttelte es gleichzeitig, weil die Drinks nicht nur fürchterlich bunt, sondern mindestens ebenso süß waren. Tom legte den Arm um Zoes Schultern, zog sie nah zu sich heran, und Zoe deponierte ihren Kopf in seiner Halskuhle. Sie schauten schweigend aufs Meer. Die einzigen Geräusche, die sie hörten, waren Stimmen und Musik vom Hotelpool, weit hinter ihnen.
    Freunde. Plötzlich musste Zoe an Eros denken und an Bora Bora: Du lässt mich so kalt, ich könnte mit dir bei Vollmond auf Bora Bora mit sanftem Wellenrauschen im Hintergrund nackt baden gehen – und es würde nix passieren . Vielleicht fand Tom sie ja wirklich nicht übermäßig attraktiv? Vielleicht hatte es gerade für einen One-Morning-Stand gereicht, aber nicht für mehr? Schließlich war sie eine seltsame Europäerin, die ihre Meinung sagte, gerne auch ihr eigenes Essen zahlte und schon die bloße Existenz von The Rules einfach nur lächerlich fand.
    »Tom?«
    »Zoe?«
    »Jetzt mal ganz hypothetisch und ohne, dass ich es wirklich wollte. Wenn wir jetzt nackt baden gingen, würde dann etwas passieren? Zwischen uns, meine ich?«
    Tom zog den Arm von ihren Schultern weg und sah sie stirnrunzelnd an. »Wie kommst du denn

Weitere Kostenlose Bücher