New York für Anfaengerinnen
Zuhause.
Das Perry South Beach Miami Hotel an der Collins Avenue war ein blendamed-weißer Kasten, der auch tagsüber von einem Türsteher bewacht wurde. Die gesamte Längsseite der Lobby nahm ein Haifisch-Aquarium ein. So weit, so hip. Tom checkte als Erster ein.
»Herzlich willkommen«, strahlte ein sehr ansehnliches weibliches Wesen hinter dem Tresen, das die Hotelleitung aus einem Modelagenturkatalog ausgesucht haben musste. »Wir haben eine Suite auf der Penthouse-Etage für Sie und Ihre Begleitung reserviert, Mr. Fiorino. Oder bevorzugen Sie eine Cabana-Suite im Garten?«
»Penthouse ist wunderbar«, antwortete Tom. »Aber Miss Schuhmacher hier hat eine Reservierung für ein eigenes Zimmer.«
»Oh«, sagte das Modelagenturkatalogmodel und arrangierte in Gedanken ganz offensichtlich die Beziehungsverhältnisse ihrer beiden Gäste neu.
Doch dann änderte Tom seine Meinung: »Könnten wir Miss Schuhmacher vielleicht auf die Penthouse-Etage upgraden?«
Das Model nickte. »Das dürfte kein Problem sein, Sir.«
Zoe versuchte sich ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen und betrachtete betont blasiert die Haifische im Aquarium.
Ihre neue Juniorsuite kam eher minimalistisch daher – in Größe wie in der Auswahl der Farben, die sich auf Weiß mit ein klein wenig Türkis beschränkte. Dafür hatte sie einen Balkon mit fabelhaftem Blick auf den von Palmen und gelb-weiß gestreiften Cabanas gesäumten Pool und den in der Mittagssonne glitzernden Atlantik. Heute Nacht würde sie mit dem Rauschen der Wellen einschlafen. Sie machte die Balkontür auf und trat hinaus.
»Hey, Nachbar!«, rief Zoe, als sie Tom auf dem Nebenbalkon stehen sah. Er hatte sich bereits umgezogen und trug Leinenhosen, die ihm auf den Hüften hingen, sowie ein schlichtes weißes T-Shirt. »Wollen wir am Strand zum Ocean Drive spazieren?«
Der Sand fühlte sich angenehm warm an unter Zoes Füßen. Tom hatte seine Hosenbeine hochgekrempelt und lief im flachen Wasser. Ab und an schwappte auch eine Welle bis zu Zoe hoch. Sie hatte eine Weile gebraucht, den richtigen Bikini und ein passendes Strandkleidchen für die gemeinsame Exkursion auszuwählen. Mindestens genauso lange wie für ihr Erster-Tag-im-Büro-Outfit.
»Also, Miss Schuhmacher, jetzt erzählen Sie mir doch mal, was Sie nach Amerika verschlagen hat?«
»Aber das wissen Sie doch am besten, Mister Fiorino. Ich bin hier, um Karriere zu machen, nichts als Karriere.«
»Als neue Digital-Queen.«
»Ja, wer hätte das gedacht, dass ich noch einmal zu den Nerds überlaufe«, lachte Zoe.
»Wieso? Was wolltest du denn eigentlich machen?«
»Du meinst ganz früher? Bevor ich in den Journalismus gegangen bin?«
»Ja.«
Zoe überlegte. »Die Welt retten?«
»Die Welt retten.«
»Ich weiß, das klingt total naiv. Aber während du mit vierzehn oder fünfzehn auf eine edle Privatschule gegangen bist, zwei Mal die Woche Polo-Training hattest und beim Flaschendrehen Koks aus Hundert-Dollar-Scheinen in die Nase gezogen hast, habe ich mich um die Zukunft des Planeten Erde gesorgt.«
»Weiter«, sagte Tom amüsiert. »Es ist interessant, meine Parallelvergangenheit aus deinem Mund zu hören.«
»Als ich Teenager war, ließen Phosphate in den Waschmitteln die Flüsse schäumen, der Regen war sauer, und ich war der festen Überzeugung, dass der Wald sterben würde, noch bevor ich den einundzwanzigsten Geburtstag erreicht hätte. Falls ihr imperialistischen Amis mit eurem sinnlosen atomaren Wettrüsten nicht vorher den gesamten Globus in Schutt und Asche legen würdet. Mehrfach.«
»Und da hat das Fräulein Schuhmacher beherzt eingegriffen.«
»Natürlich. Über meinem Bett hing ein selbstgemaltes Plakat mit der Weisheit eines Cree-Indianerhäuptlings: Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann. «
»Der deutsche Wald steht aber meines Wissens noch.«
»Jaaaa«, Zoe atmete tief durch. »Das mit dem sauren Regen stellte sich als totaler Fake heraus. Einer, der mich schlaflose Nächte gekostet hatte. Aber die Sache mit den schäumenden Flüssen habe immerhin ich höchstpersönlich verhindert, indem ich ein Jahr lang die Wäsche meiner Mutter boykottiert und meine eigene nur mit Kernseife gewaschen habe.«
»Wirklich?« Tom hatte sich mittlerweile umgedreht und lief rückwärts, damit er Zoe ins Gesicht sehen konnte.
»Wirklich!«
»Und jetzt spazierst du mit einem imperialistischen
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