New York für Anfaengerinnen
Ami, der seine Hemden in die chemische Reinigung bringen lässt, den Strand entlang.«
»Zoe Schuhmacher aus Herpersdorf bei Ansbach ist eben völlig prinzipienlos.«
»Wo soll das denn sein? Herpersdorf bei Ansbach?«
»Geografie haben sie dir an deiner noblen Privatschule nicht beigebracht? War wohl keine Zeit dafür neben den vielen Kursen in »Wie lege ich heimlich eine Steueroase auf den Caymans an«? Also, für einen offensichtlich geografisch minderbemittelten Amerikaner wie dich: Ansbach ist der Regierungssitz von Mittelfranken. Mittelfranken liegt in Bayern. Und das liegt in Süddeutschland.«
»Wie hat es dann jemand aus diesem charmanten Örtchen nach Berlin zu Schönhoff geschafft?«
»Ich habe mit fünfzehn den Schülerzeitungswettbewerb mit dem Thema »Kein Trauerspiel – Alltag eines Totengräbers« gewonnen. Da war mir klar, dass ich Journalistin werden wollte. Christiane Amanpour von CNN mit Helm auf dem Kopf und kugelsicherer Weste am Leib war mein großes Vorbild. Ich wollte die Krisengebiete dieser Welt bereisen und pulitzerpreisverdächtige Reportagen schreiben.«
Tom schien sich das Lachen zu verkneifen, streckte die Arme aus, um Zoes Hände zu nehmen, korrigierte sein Vorhaben aber in letzter Sekunde wieder und parkte seine Hände lieber in neutralem Gebiet, sprich: tief in seinen Hosentaschen. Er verhielt sich zum Verrücktwerden freundschaftlich, fand Zoe.
»Aber was um Himmels Willen machst du dann jetzt bei Schönhoff Publishing? Solltest du nicht Sprecherin von Amnesty International sein oder so etwas?«, fragte er dann.
»Ich hatte mich um ein Volontariat beim Greenpeace Magazin beworben, es aber nicht bekommen. Stattdessen wurde ich auf der Schönhoff Journalistenschule angenommen.«
Tom runzelte die Stirn. »Du hast also einfach so deine Weltrettungspläne an den Nagel gehängt und bist zum kommerziellen Feind übergelaufen?«
»Anfangs, weil ich keine andere Jobperspektive hatte. Dann habe ich aber schnell festgestellt, dass es gar nicht so übel ist, über die schönen Dinge des Lebens zu schreiben statt über ethnische Säuberungen und Legehennenbatterien. Wesentlich weniger deprimierend übrigens.«
»Und mit viel besseren perks verbunden. Einladungen zu Pressedinnern, Reisen, Premieren …«
»Nicht zu vergessen die vielen kostenlosen Kosmetikpröbchen, die täglich in einer Frauenzeitschriftenredaktion ankommen. Garantiert nicht tierversuchsfrei«, ergänzte Zoe, die ihren neu entdeckten Sarkasmus charmant fand – weil Tom ihn charmant zu finden schien.
»Du hast also deine Seele verkauft«, lachte Tom, als wäre er ernsthaft darüber froh, dass Zoe sich noch im letzten Moment aus den Klauen irgendeiner düsteren Psycho-Sekte hatte befreien können. »Du prinzipienloser Müslimensch.«
*
Als Zoe abends mit einem Sonnenbrand auf der Nase und einem bodenlangen papageienfarbenen Chiffonkleid am Körper den Ballsaal zum Welcome Dinner betrat, fühlte sie sich wie Alice im Wunderland. Der komplette Raum war wie ein Palast aus Tausend und einer Nacht dekoriert, samt purpurfarbenen Beduinenzelten, in denen sich die Bars befanden, und Ober mit Ballonhosen und safrangelben Turbanen. Der Boden war mit Sand bestreut und auf den Tischen standen pompöse Blumenbouquets, die betörend nach Lilien dufteten.
Fehlt nur noch ein lebendiger Elefant. Oder zwei, dachte Zoe.
Sie fand ihr Platzkärtchen ganz hinten rechts an einer Art Katzentisch, inmitten von Start-up-Fuzzis, von denen sie noch nie gehört hatte, während Tom am Ehrentisch vorne in der Mitte stand und Sheryl Sandberg von Facebook freundschaftlich die Hand auf die Schulter legte. Nach dem Vorspeisensalat, einer etwas müden Mischung aus Grünzeug, das schon lange kein Treibhaus mehr von innen gesehen hatte, und Kichererbsenpüree zum Dippen, würdigte ein kurzer Film die Karriere Sandbergs. Einflussreichste Frau der New Economy. Prominente Verfechterin für Gleichberechtigung. Und so weiter und so fort. Nach dem Hauptgang, der aus Edel-Couscous mit argentinischen Rindersteakstreifen an Karottengemüse mit Chermoulagewürz bestand und den die Start-up-Fuzzis an Zoes Tisch mit der Gabel in der rechten Hand in sich hineinschaufelten, als wären sie Gefängnisinsassen, denen man die Messer vorenthalten hatte, betrat Tom souverän die Bühne.
Zoe verlor grundsätzlich allein an Angstschweiß ein Kilo Körpergewicht, wenn sie vor einer Ansammlung von mehr als drei Menschen frei sprechen sollte. Was vielleicht daran
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