New York für Anfaengerinnen
sie verhandelte es nicht nur ein, sondern ganze drei Mal. Bis der Betrag einigermaßen ihren Vorstellungen entsprach. Al hob auch in jeder Konferenz die Hand und sagte jedem – bis zum Chefredakteur – ihre Meinung. Vor allem aber heulte sie nie der Vergangenheit oder irgendwelchen Fehlern nach. Neuer Tag, neues Glück – hieß ihre beneidenswerte Einstellung. Um Allegra »Julia Roberts« Sollani brauchte man sich wirklich keine Sorgen zu machen.
*
Zoe Schuhmacher stellte brav eine Interviewanfrage beim Weißen Haus, die erwartungsgemäß mit einem stoischen » I put you on the list « abgebügelt wurde. Sie wusste nicht, ob sie sich darüber ärgern sollte. Durfte man Energie dazu aufwenden, sich über etwas zu ärgern, was völlig absehbar gewesen war? Allegra würde jetzt Nein sagen. Durfte man nicht.
Zoe beschloss also kühn, den Papst Papst sein zu lassen, auch wenn sie jetzt schon Bauchgrummeln vor der nächsten Konferenz hatte, und sich stattdessen den wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu widmen. Nämlich der Tatsache, dass sie ein Bett brauchte. Und einen Tisch. Und ein Sofa. Abgesehen von dem halbblinden Spiegel an der Wand und einer Matratze auf dem Boden, die ihr ihre Vermieterin geliehen hatte, gab es nämlich nichts in ihrer neuen Bude in Brooklyn.
Aber Zoe Schuhmacher hatte einen Plan! Sie brauchte Möbel – und sie brauchte einen Mann, um diese zu schleppen und zusammenzubauen. Sie hoffte insgeheim, dass ihr Vorwand nicht allzu durchsichtig war.
Zoe verließ das Großraumbüro im neunundzwanzigsten Stock und ging zum Treppenhaus, um in die Managementetage in den dreißigsten Stock zu laufen. Doch die Tür zum Treppenhaus war verriegelt.
Das blonde Gift kam um die Ecke. »Falsche Tür, meine Liebe, unser Büro ist dort vorne.«
»Das weiß ich selbst. Ich will ins Treppenhaus«, antwortete Zoe und verkniff sich ein »Ich bin ja nicht blöd«.
»Was willst du denn im Treppenhaus?«
»Wie wäre es mit Treppensteigen? In den dreißigsten Stock. Soll gesund sein. Gut gegen Bluthochdruck.«
»Sag bloß, DU hast Bluthochdruck?«
Zoe atmete einmal tief durch. »Madison, ich will einfach nur in den dreißigsten Stock.«
»Und warum nimmst du dann nicht den Aufzug?«
Das blonde Gift war wirklich zum Wahnsinnigwerden. »Weil ich laufen will.«
Jetzt schienen sich auch bei Madison ein paar Gehirnsynapsen richtig miteinander verbunden zu haben. »Oh«, rief sie. »Laufen. Das geht aber nicht. Treppensteigen tun wir hier nur, wenn es brennt. Ansonsten sind die Fluchtwege verschlossen. Damit sie offen sind für den Fall, dass es brennt. Verstehst du?«
Zoe hatte verstanden. Amis fuhren Aufzug. Auch wenn’s nur ein Stockwerk war.
Die Tür zu Toms Büro stand offen, und von seiner Assistentin war weit und breit nichts zu sehen, sodass Zoe einfach eintrat. Tom hatte passend zu seinem Titel als Präsident die Präsidenten-Büroausstattung. Mies-van-der-Rohe-Stühle und einen Rothko an der Wand.
»Hi Stranger, welch Überraschung!«, rief Tom, stand auf und machte die Tür zu. » Long time, no see . Was bringt dich zu den Erbsenzählern hoch?«
»Ich wollte dich um einen Gefallen bitten. Einen Freundschaftsdienst sozusagen.«
Tom verzog das Gesicht. »Freundschaftsdienste beinhalten normalerweise, dass man vier Wochen lang einen aggressiven Papagei hüten muss, wenn Herrchen im Urlaub ist. Oder jeden Tag quer durch die Stadt hetzen, um irgendwelche blöden Blumen zu gießen. Hast du keine anderen Freunde?«
Zoe lachte. »Ich brauche einen richtigen Mann. Deshalb fällt Mimi schon mal weg und Eros in diesem Fall auch.«
»Na, das hört sich schon viel spannender an. Brauchst du etwa Expertenberatung beim Dessouskauf?«
Männer brachten selbst die plattesten Witze mit bewundernswertem Selbstvertrauen herüber, dachte Zoe.
»Ich brauche jemanden, der mit mir zu IKEA geht«, sagte sie dann. Zoe sprach IKEA aus, wie man IKEA eben ausspricht: I-KE-A.
»Was ist denn das? Tut das weh?«
»Sag bloß, du kennst IKEA nicht? Das schwedische Möbelhaus?«
»Oh. EI-KI-A.«
»IKEA, EIKIA, whatever . Kommst du mit? Am Samstag?«
»Und was wollen wir da?«
»Na, Möbel für meine neue Wohnung kaufen, was denn sonst? Oder hast du etwa noch nie im Leben Möbel gekauft, Upper East Side Boy?«
»Nicht wirklich. Das macht eigentlich immer der Interior Designer.«
»Dann, mein Lieber, wird es Zeit, dass du mal einen Ausflug in die reale Welt des Prekariats unternimmst. Zu reinen
Weitere Kostenlose Bücher