New York für Anfaengerinnen
Bildungszwecken, versteht sich.«
*
Am Samstagmorgen trafen sich Zoe und Tom also bei IKEA in Red Hook, und Zoe musste zugeben, dass sie sich darauf freute, einen ganzen Nachmittag ganz alleine mit Tom zu verbringen. Auch wenn ihre Zweisamkeit zwischen Billy-Regalen und Frosta-Stühlen stattfinden würde. Auf Google Maps sah der Weg von ihrer Wohnung bis zur Red Hook Waterfront am äußersten Ende von Brooklyn nach einem netten Spaziergang aus, der rund zwanzig Minuten lang dauern sollte. Zoe lief die charmante Court Street mit all ihren Shops und Cafés entlang, bis sich vor ihr plötzlich eine monströse Stadtautobahn auf Stelzen aufbaute. Der Gowanus Expressway. Wer baut eine solche Scheußlichkeit mitten in ein gutbürgerliches Wohnviertel, in dem ein (total renovierungsbedürftiges) Townhaus Minimum zwei Millionen Dollar kostet?, fragte sich Zoe. Sie lief unter den Stelzen hindurch wie durch einen kleinen Tunnel. Es roch nach Pisse. Vom Regen verklumpter Müll zweifelhafter Herkunft klebte an ihren Schuhen.
Großartige Idee, das mit dem Spaziergang, Zoe Schuhmacher.
Zoe war immer wieder verblüfft, wie schnell sich in New York eine Gegend von schick zu schmuddelig verändern konnte. Ein Häuserblock oder zwei – und schon war man in einer Parallelwelt. Die Parallelwelt, in der sie sich jetzt befand, hieß Red Hook Houses, eine Sozialwohnungssiedlung aus Betonhochhäusern mit Menschen vor den Eingangstüren, die anscheinend zu viel Zeit in ihrem Leben hatten und die weiße Frau, die als Einzige weit und breit zu Fuß ging, interessiert betrachteten. Zoe schaute bemüht nur geradeaus und machte Tempo. Sie lief an überquellenden Müllcontainern vorbei, an einer Ladenzeile, wo ein Geschäft nach dem anderen geschlossen hatte und die Türen und Fenster mit krude angenagelten Brettern verbarrikadiert waren.
Hinter der Siedlung tat sich dann plötzlich eine grüne Oase auf. Ein riesiger Park mit Fußball- und Baseballfeldern, auf denen an diesem Samstagmorgen Kindermannschaften in niedlichen Uniformen trainierten, und ausnahmslos weiße Eltern mit Starbucks-Kaffeebechern in der Hand standen am Spielfeldrand und feuerten ihre Sprösslinge an. Eine Ecke weiter, direkt am Hafenbecken mit unverbautem Ausblick auf die Freiheitsstatue, stand IKEA. Als Zoe dort ankam, stieg Tom gerade aus seinem Towncar aus und winkte den Fahrer davon.
»Ich bin bereit«, rief er, als freute er sich auf ein ganz besonderes Abenteuer. Elefantenjagen im afrikanischen Busch oder so.
Sie umarmten sich zur Begrüßung.
»Weißt du denn überhaupt, wie IKEA funktioniert?«, fragte Zoe.
»Was gibt es über das Einkaufen in einem Möbelhaus zu wissen?«
Zoe lachte. Der Mann hatte tatsächlich keine Ahnung. »Als Erstes nimmt man sich einen der vorgedruckten Einkaufszettel und einen Bleistift.«
»Die geben einem hier Bleistifte? Umsonst?«, wunderte sich Tom über das Geschäftsmodell.
»Umsonst! Dann schreibt man sich auf, welche Möbel man will und wo die im Lager stehen.«
»Wieso sollte mich das interessieren?«
»Na, weil man sie dort selbst abholt, mit nach Hause nimmt und zusammenbaut. Aber vorher isst man noch Köttbullar.«
»Moment, Moment, Moment! Ich habe dich schon bei Selbstabholen verloren. Wie gedenkst du deine Möbel nach Hause zu schaffen? Willst du sie etwa tragen?«
»Wir mieten uns einen Kleinlaster.«
»Im Ernst?«
»Im Ernst!
»Und wer fährt den?«
»Na, du. Du bist doch der Mann. Und damit du für dieses Abenteuer gestärkt bist, essen wir im IKEA-Restaurant vorher noch eine Portion schwedische Fleischbällchen für 1,99 Dollar.«
»Zoe, nichts gegen Fleischbällchen, die günstiger sind als Hundefutter. Aber könntest du nicht einfach bei bo concept oder, wenn’s denn sein muss, bei Pottery Barn deine Sachen bestellen und liefern lassen? Wie es normale Menschen tun?«
»Normale Menschen, die nicht viel Geld ausgeben wollen, weil sie, zum Beispiel wie ich, gar nicht wissen, wie lange sie überhaupt in dieser Stadt leben werden, gehen zu IKEA. Upper East Side Boys, die irgendwelche Familienantiquitäten in fünfter Generation vererbt bekommen, falls es diese vorher nicht ins Metropolitan Museum schaffen, verstehen das nicht.«
Und dann wurde es zwischen zwei Portionen Köttbullar, einem SPONTAN-Zeitungsständer und Probesitzen auf verschiedenen KLIPPAN-Sofas ein richtig lustiger Samstagvormittag.
»Ich kann es nicht fassen, dass wir diesen ganzen Kram tatsächlich in deine Wohnung
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