New York für Anfaengerinnen
insgeheim zugegebenermaßen etwas schmeichelte, sie andererseits aber auch rasend machte. Insbesondere was Tom betraf. Was bildete sich dieser Fiorino eigentlich ein? Hatte er nicht genug in ihrem Leben herumgepfuscht?
»Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Tom nicht ehrlich zu mir war, Aaron. Verdammt, erst verschweigt er mir, dass er mein Chef ist. Und dann vergisst er, mich darüber zu unterrichten, dass er verheiratet ist.« Zoe sprang so schnell auf, dass ihr Barhocker umkippte und mit einem hölzernen Krachen auf den Boden donnerte. »Thomas Prescott Fiorino existiert nicht mehr in meiner Welt. Das kannst du ihm gerne ausrichten, Aaron. Mit den besten Grüßen!«
Dann rannte sie wütend aus der Bar.
*
Als Zoe am nächsten Morgen aufwachte, fuhren ihre Gedanken wieder Achterbahn. Was wollte McSchleimi noch von ihr? War ihr Abgang aus New York nicht aussagekräftig genug? Er sollte sie in Ruhe lassen, verdammt noch mal. Sie wollte in Hamburg durchstarten.
Wie in Zeitlupe zog sie sich an. Mimi hatte ihr einen kleinen Rollkoffer mit Klamotten dagelassen. Ganz oben auf dem Stapel lag ein T-Shirt mit der ikonischen Aufschrift I Heart NY .
»Sehr witzig«, murmelte Zoe, beförderte es in den Hotelzimmerpapierkorb und wählte eine dunkelblaue Seidenbluse, die ein Vermögen gekostet haben musste. Sie öffnete die Hotelzimmertür – und musste gleich zwei Mal auf den Boden schauen, um sicherzugehen, dass sie keine Halluzinationen hatte. Vor Zimmer 707 lag ein weißer Badezimmervorleger, auf dem fröhlich grüne Kresse spross. Inmitten des satten Grüns steckte ein Zettel. Zoe hob ihn auf, entfaltete ihn und las:
Morgen 10 Uhr Frühstück im Speisesaal? Ich würde mich sehr freuen! Dein Ben
Zoe musste einen Moment nachdenken. Dein Ben. Wer, bitte, war noch mal ihr Ben ?
»Benni, du kommst zu einem ganz schlechten Zeitpunkt«, versuchte Zoe zu erklären, als sie Benjamin Nikolaus Nigmann im Frühstücksraum traf.
»Ben, bitte.«
»Wie Ben? Welcher Ben?«
»Nenn mich bitte Ben, Zoe. Ich habe Benni abgelegt. Wörtlich wie im übertragenen Sinn.«
»Was soll das denn heißen?«
»Ich habe viel über mich nachgedacht, nachdem du mich verlassen hast, Zoe. Und viel geändert in meinem Leben …«
»Wer hat denn hier wen verlassen?«, unterbrach ihn Zoe erbost. »Bist du nicht mittlerweile …«, Zoe holte tief Luft und stimmte einen affektierten Ton an, »… glücklich verheiratet mit deiner großen Jugendliebe?«
»Nicht wirklich.«
Jetzt wurde Zoe Schuhmacher neugierig. »Nun rück schon raus, Benni!«
»Ben!«
Zoe atmete einmal tief durch. »Also gut, BEN!«
»Das Ganze war mehr so ein Wunschgedanke.« Ben senkte den Blick und starrte intensiv die Tischdecke an. »Der nach ein paar Wochen komplett verpufft war. Unser Wiedersehen im Internet hatte anfangs so etwas Schicksalhaftes. Als ob wir füreinander bestimmt wären. Aber im Internet ist vieles nun mal einfacher als im richtigen Leben.«
Zoe musste lachen. »Es stellte sich nicht etwa heraus, dass sie blau war?«
»Nein, eine Alkoholikerin war sie nicht«, antwortete Ben entrüstet. »Wie kommst du denn darauf?«
»Nur so«, feixte Zoe insgeheim und musste an das kobaltblaue Avatar-Weibchen denken, das sie sich immer gehässigerweise vorgestellt hatte. »Was denn dann?«
»Na ja, sagen wir einmal, sie war kompliziert.«
»Sind das in euren Männeraugen nicht alle Frauen?«
»Sie ist von Beruf Buchhalterin und musste immer alles perfekt unter Kontrolle haben. Herrje, sie hatte einen auf Excel ausgedruckten Wochenplan, was sie täglich fürs Büro anziehen würde. Bis auf die Unterwäsche!«
»Du hast die Schnepfe also nicht geheiratet, BEN?«
»Nein.«
»Du hast mit ihr Schluss gemacht?«
»Ja. Wenn du meine SMS und E-Mails gelesen hättest, wüsstest du das längst.«
»Was willst du dann hier?«, fragte sie vorsichtig, und ihr graute schon vor einem tränenreichen Liebesgeständnis – »Zoe, du bist die Frau meines Lebens …« oder ähnliches Gesülze –, das sie in ihrer jetzigen Situation nun wirklich nicht gebrauchen konnte. Schon gar nicht von einem MANN! Männliche Reue, gepaart mit dackeligem Hundeblick und diesem verzweifelten Hoffnungsschimmer auf Versöhnungssex in den Augen – Zoe schüttelte sich angewidert. Bitte, lieber Gott, lass es so kurz und schmerzlos werden wie möglich, betete sie im Stillen. In manchen Situationen, fand Zoe Schuhmacher, war es dann doch geboten, den Oberboss höchstpersönlich
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