New York für Anfaengerinnen
Bar im Atlantik Kempinski direkt an der Außenalster endeten. Zoe war zwar längst auf Wasser umgestiegen, doch Nenn-mich-Aaron-mein-Liebes zischte ungerührt weiter Veuve Cliquot.
»Ich bin übrigens sehr gerne ein Geliebter«, sagte Voldemort plötzlich. »Falls du dich gewundert hast.«
»Irgendwie schon. Ich dachte eigentlich, du feuerst mich wegen meines Artikels.«
»Nein. Du hast die Gefühlsachterbahn perfekt getroffen. Aber ich bin nun mal ein Adrenalin-Junkie. Es gibt für mich nichts Schlimmeres als sich gegenseitig bis zur silbernen Hochzeit anzuöden. Klar bin ich Weihnachten alleine. Dafür mache ich dann mit meiner Geliebten über Silvester eine Kreuzfahrt nach Südamerika. Mit Feuerwerk am Zuckerhut.«
Aaron Papst machte anscheinend verzückt wegen seines Wortwitzes eine Pause, nahm dann aber einen großzügigen Schluck Schampus, als müsste er sich Mut antrinken. »Zoe, ich möchte, dass du wieder nach New York zurückgehst und für mich arbeitest.«
»Ich aber nicht«, platzte es aus ihr heraus. »Ganz ehrlich, Aaron. Wir beide sind arbeitstechnisch nicht kompatibel. Ich stehe nicht auf die Dominatrix-Nummer und das ganze Drama.«
»Das ganze Drama verkauft Hefte, meine Liebe. Mode ist ein Zirkus, die ganz große Show der Illusionen, und ich bin der Dompteur. Glaubst du, mir macht es Spaß, den ganzen Tag Leute niederzubügeln?«
»Den Eindruck hatte ich durchaus.«
Voldemort seufzte. »Zoe, du bist gut, du bist talentiert, du wirst einmal richtig Karriere machen. Ein, zwei Jahre vielleicht noch, dann übernimmst du eine Chefredaktion in einem großen deutschen Verlag.«
Zoe war immer wieder überrascht über ihre Außenwirkung, die nicht so ganz mit ihrer eigenen Innenwahrnehmung zusammenpasste. Auf andere schien sie viel selbstbewusster zu wirken, als sie es sich selbst zugestand. Wieso stellte sie dann ihre Leistungen – und sich selbst – eigentlich fast täglich in Frage? Vielleicht, dachte Zoe, sollte sie sich irgendwann einmal dazu durchringen, ihre Unsicherheiten endlich zu überwinden. Es sollte ja angeblich fürchterlich erfolgreiche Menschen auf dieser Welt geben, die regelmäßig davon träumten, durchs Abitur zu fallen. Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit, grübelte Zoe, endlich ihr inneres Abitur zu bestehen.
»Mag sein«, antwortet sie dem Papst. »Aber ich habe mit New York abgeschlossen. Es ist nicht meine Welt. Ich gehöre da nicht hin.«
»Das ist doch Bullshit!«, rief Nenn-mich-Aaron-mein-Liebes und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, dass die Gläser klirrten. Selbst der einsame Kellner der Atlantic Bar drehte sich zu ihnen um. »Du hast in New York in der Redaktion einen guten Job gemacht und auf dem Snowflake Ball eine gute Figur. Soweit ich das jedenfalls in der New York Post nachlesen konnte. Niemand passt besser nach New York als du. Du findest den ganzen Schickeria-Shit zwar interessant, aber du verbiegst dich deshalb nicht. Du bleibst du!«
»Aaron, du verdienst bei VISION dein Geld, indem du den Traum des – wie du ihn nennst – Schickeria-Shits in die Wohnzimmer nach Hamburg-Blankenese und München-Bogenhausen transportierst. Und das ist auch völlig okay so. Hollywood verkauft erfolgreich Träume, warum sollte es der Schönhoff Verlag nicht tun?«
Aaron Papst schwieg, seufzte und brachte es schließlich über sich zu sagen: »Tom bittet dich zurückzukommen.«
Zoe verschluckte sich fast an ihrem stillen Wasser. »Sollst du mir das etwa ausrichten?«
»Ja. Tom liebt dich. Weil du du bist. Und keine völlig spaßfreie amerikanische 5th-Avenue-Prinzessin, die ihren Verlobungsring bei erster Gelegenheit vom Familienjuwelier schätzen lässt, um sicherzugehen, dass der Zukünftige auch mindestens die gesellschaftlich geforderten drei Monatsgehälter investiert hat. Genau so hat er mir das erzählt.«
»Tatsächlich?«, ätzte Zoe.
»Tatsächlich! Er ist gleich nach deinem überstürzten Aufbruch nach Deutschland geflogen, um dich zu suchen.«
»In Herpersdorf?«
»Nein, in Berlin. Konnte am Anfang ja keiner ahnen, dass du dich in die Provinz verkriechst. Als du dir dann allerdings mit deinem Selbstfindungstrip ein bisschen zu viel Zeit für unser aller Geschmack gelassen hast, haben wir Mimi geschickt. Eine wahre Wunderwaffe, diese Frau. Es war übrigens Toms Idee, sie auf dich anzusetzen.«
Zoe war ganz verwirrt. Irgendwie schien jeder hinter ihrem Rücken mit jedem gesprochen zu haben. Und sich Sorgen um sie gemacht zu haben. Was ihr
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