New York - Love Story
Klamotten ruiniert
habe. Stattdessen zieht er sich Sakko, Hemd und Hose einfach
aus und steht nur noch in kotzgrünen Boxershorts vor
mir. Auch ich trage nur noch meine rote Spitzenwäsche. Und
obwohl um uns herum die Party weitergeht, fangen wir an,
uns heftig zu küssen. Simons warme Hände ertasten meinen
nackten Körper, sein Blick fängt meinen ein, seine Lippen
drücken sich auf meinen Mund …
Als jemand vehement gegen die Tür hämmert, schrecke ich
hoch. Ich bin schweißgebadet.
»Herein«, nuschele ich. Und noch mal, etwas lauter: »Come
in!« Nichts passiert.
Vergeblich versuche ich, die wirren Traumfetzen zu vertreiben,
die durch meinen Kopf wehen. Ich sehe Simons Gesicht
vor mir, seine schönen blauen Augen. Ich höre seine
Stimme. Das mit uns war schön. Dann ist er plötzlich verschwunden.
Und es bleibt nichts zurück als Sehnsucht, die
mir den Magen zusammenzieht.
Verschlafen taste ich nach meinem Handy. Beim Blick
auf die Zeitanzeige bin ich schlagartig hellwach: 16:08! Was
wird Madeleine Carter von mir denken, wenn ich mich erst
am späten Nachmittag aus dem Bett bequeme?
Ach nein,
beruhige
ich mein hämmerndes Herz. Zeitumstellung! Minus
sechs Stunden, also ist es kurz nach zehn. Das ist immer noch
spät, aber nicht ganz so dramatisch. Immerhin bin ich jetzt
munter.
Ich checke mein Handy: kein Empfang. Mir fällt etwas ein,
was meine Mutter nebenbei erwähnt hat. Die Amis nutzen
eine andere Handyfrequenz und mein etwas älteres Modell
scheint die Umstellung nicht zu packen. Shit! Das bedeutet
dann wohl: ein Sommer ohne Telefon.
Ich setze mich auf, lasse die Beine aus dem Bett baumeln,
um meinen Kreislauf in Gang zu bringen, und inspiziere
meine neue Unterkunft. Groß ist sie nicht gerade, und bei
der Erinnerung an das riesige Wohnzimmer, in dem gestern
die Party stattgefunden hat, bekomme ich den Eindruck, dass
ich mich in einer völlig anderen Wohnung aufhalte.
Durch ein quadratisches Fenster in der Nähe der Zimmerdecke
fällt helles Sonnenlicht, hinausschauen kann ich allerdings
nicht. Das Fenster befindet sich so weit oben, dass ich
mich auf einen Stuhl stellen müsste – doch dafür ist in dem
Raum gar kein Platz. Bett, Nachttisch, Schrank. Das war's.
Mein riesiger roter Koffer beansprucht das bisschen, was
noch an Bodenfläche verfügbar ist. Okay, ich bewohne eine
möblierte Besenkammer!
Mein Magen meldet sich. Er ist wohl beleidigt, dass ich
gestern Nacht nichts mehr zu mir genommen habe. Schnell
suche ich frische Wäsche, ein T-Shirt und eine saubere Jeans
aus meinem Koffer und streife mir die Sachen über. Meine
hellblauen Lieblings-Chucks stehen unter dem Bett bereit.
Fertig.
Ein bisschen nervös öffne ich die Tür meiner Besenkammer
und finde mich in einem langen Flur wieder. Ein weicher Teppich dämpft meine Schritte, auf einer antiken Kommode
stehen langstielige weiße Blumen, alle abgehenden
Türen sind geschlossen. Ich weiß nicht, wohin ich mich wenden
soll, gehe erst in die eine, dann in die andere Richtung,
endlich höre ich ein leises Klappern und strebe erleichtert in
Richtung des Geräuschs.
»Good morning«, begrüßt mich mein rettender Engel von
gestern fröhlich, als ich die Küche betrete. Wobei Küche nicht
der richtige Ausdruck ist. Es handelt sich um eine Küchenlandschaft
aus glänzendem Edelstahl und poliertem dunklem
Holz. Die füllige Frau im schwarzen Kleid mit weißer Schürze
und Haube wirkt in dieser modernen Wohnwelt fehl am Platz.
»Setz dich, iss etwas!« Sie wedelt mit ihrer wulstigen Hand
in Richtung Theke, an der zwei hohe Barhocker stehen. Nur zu
gern komme ich der Aufforderung nach. Während ich mich
auf einen der beiden Hocker schwinge, fährt die Frau fort:
»Ich bin Danuta, die Haushälterin hier. Oder, besser gesagt,
das Mädchen für alles. Ich koche, ich putze, ich wasche … und
das schon seit fünf Jahren.«
Danuta spricht Englisch mit einem harten Akzent – ich
tippe auf Polnisch –, sodass ich sie nur schlecht verstehen
kann. Trotzdem ist sie mir auf Anhieb sympathisch.
»Ayurveda-Tee?« Danuta zieht eine Glaskanne aus einer
der vielen Hightech-Maschinen, die in dieser Küche herumstehen. Eine Tee-Maschine, wo gibt es denn so was?
»Könnte ich einen Kaffee bekommen?«, frage ich vorsichtig.
Danuta lacht, es klingt wie ein Schluckauf.
»Kaffee ist schlecht für das Qi. Sagt Mrs Carter. Deshalb:
keinen Kaffee!«
Ich seufze und hoffe im selben Moment, dass Danuta es
nicht gehört hat. Qi hin oder her. Mein Körper schreit
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