New York - Love Story
geschwungenen
Handschrift. Das ist zwar nicht mein richtiger Name, aber
ich bin daran gewohnt, dass viele Leute meinen, Niki sei nur
eine Abkürzung für Nicole. Ich blicke an dem Arm hoch, der
das Schild hält, und blinzele verblüfft. Das ist garantiert nicht
Madeleine Carter!
Der Typ mit dem Schild sieht aus wie ein Statist aus Men
in Black: schwarzer Anzug, schwarzer Schlips, schwarze Sonnenbrille.
In seinem rechten Ohr entdecke ich sogar einen
schwarzen Knopf mit einem gedrehten Kabel, das in seinem
Kragen verschwindet. Hilfe! Vorsichtig nähere ich mich diesem
Agenten-Verschnitt, der durch mich hindurchzusehen
scheint.
»Hi.« Ich muss mich räuspern. »I'm Nicole, äh, Niki«, stottere
ich.
Sein Kopf wendet sich mir zu, doch wegen der dunklen
Brillengläser kann ich nicht erkennen, ob er mich überhaupt
ansieht.
»Follow me.« Der Typ klingt auch wie ein Spezialagent.
Ohne ein weiteres Wort greift der schwarze Schrank nach
meinem Rollkoffer, hebt ihn ohne erkennbare Mühe hoch
und geht mit langen Schritten Richtung Ausgang. Ich weiß
nicht so recht, ob ich ihm folgen soll. Was, wenn der Typ ein
Profikiller ist, der mich in eine dunkle Ecke von New York
verschleppen will?
Stopp, Niki, deine Fantasie geht mit dir durch! Erstens kennt
der Kerl meinen Namen, zumindest hat er ein Schild, auf dem
mein Name steht! Und zweitens kann ich weit und breit niemanden
außer ihm entdecken, der gekommen ist, um mich
abzuholen. Also, hinterher.
Mr MIB passiert gerade die Ausgangstüren, ich haste ihm
nach, und als ich es draußen endlich schaffe, ihn einzuholen,
bugsiert er bereits meinen roten Trolley in den Kofferraum
einer fetten schwarzen Limousine. Wow, was für ein Auto!
Noch bevor ich meinen Mund wieder zuklappen kann,
reißt der Anzugmann die hintere Wagentür für mich auf,
und ich falle in glänzende Ledersitze. Dann lässt er sich auf
den Fahrersitz gleiten und endlich kapiere ich es: Der Typ ist
Chauffeur. Mein Chauffeur!
Als er Gas gibt, sinke ich in den überraschend bequemen
Sitz und starre aus dem Fenster, ohne durch die getönten
Scheiben viel erkennen zu können. Die Müdigkeit ist zurückgekehrt
und pocht gegen meine Schläfen, gleichzeitig
kribbelt die Nervosität mein Rückgrat rauf und runter. Schau hin!, ermahne ich mich. Das ist New York! Doch meine
Lider werden schwer und nach kurzer Zeit übermannt mich
der Schlaf.
Ich wache auf, als der Wagen stehen bleibt, und es kommt mir
vor, als hätte ich nur wenige Sekunden geschlafen. Ich bin genauso
müde wie vorher, wenn nicht sogar noch etwas müder.
Mein Kopf fühlt sich matschig an, mein Gesicht glüht und der Geschmack in meinem Mund ist – vorsichtig formuliert –
widerlich!
Meine Wagentür wird aufgerissen und ich stolpere hinter
dem noch immer schweigenden Anzugmann durch hohe
Glastüren in eine hell erleuchtete Eingangshalle. Im ersten
Moment bin ich geblendet, meine Eindrücke sind verschwommen:
glänzender Marmorboden, holzvertäfelte Wände, rechts
eine Theke, hinter der ein Portier steht und dem Anzugmann
zunickt. Schon stehen wir in einem ebenso hell erleuchteten
Aufzug mit golden verchromten Griffleisten, mein Begleiter
drückt auf die Neunzehn und der Lift saust beinahe geräuschlos
nach oben.
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Aber ganz sicher
nicht das!
Als sich die Aufzugtüren öffnen, der wortkarge Chauffeur
mich und meinen Koffer hinausschiebt und die Türen sich
wieder schließen, noch bevor ich »Thank you« murmeln
kann, stehe ich mitten in einer Party!
Überall sind Menschen. Menschen in todschicken Kleidern
und dunklen Anzügen. Sektgläser in den Händen haltend,
stehen sie in zahllosen Grüppchen zusammen, reden
und lachen. Chillige Musik bietet die Untermalung für ihre
Gespräche. Es ist laut und voll. Niemand bemerkt mich.
Suchend blicke ich mich um. Aber wonach suche ich eigentlich?
Mr MIB muss mich an der falschen Adresse abgesetzt
haben!
Der Raum ist riesig. Zwischen all den Menschen entdecke ich einzelne Möbelstücke, Ledersofas, geschwungene Glastische,
dunkle Holzvitrinen, an den Wänden hängen großformatige
Gemälde (garantiert alles Originale, tippe ich), doch
am meisten beeindruckt mich der Blick durch die Glasfront,
die die komplette gegenüberliegende Seite des Zimmers einnimmt:
Der Himmel färbt sich in der Dämmerung dunkelblau und
in die Wolken hinein wachsen die Hochhäuser, eins neben
dem anderen, deren unzählige hell erleuchtete Fenster wirken
wie ein funkelndes Sternenmeer!
Autsch!
Weitere Kostenlose Bücher