New York - Love Story
nach
Koffein.
Skeptisch betrachte ich das Frühstück, das Danuta auf die
Theke stellt, und werde ein zweites Mal enttäuscht. Es handelt
sich um eine große Schale Müsli, das aussieht wie schon
mal gegessen. Frischkornbrei nennt Maja solches Zeug. Und
ich dachte immer, die Amerikaner essen schon zum Frühstück
Donuts! Was gäbe ich jetzt für einen gefüllten Donut!
Neben meine Müslischale legt Danuta einen Briefumschlag,
auf dem mit der gleichen geschwungenen Schrift wie
auf dem Schild am Flughafen mein Name steht, leider der
falsche:
Nicole
. Besonders lernfähig scheint Madeleine Carter
nicht zu sein. Apropos Madeleine … wo ist sie überhaupt?
Auf meine Frage zuckt Danuta mit den üppigen Schultern.
»Stylist, Coiffeur, Kosmetik, Maniküre, Yoga, Pilates? Ich
weiß es nicht. Ihre Verpflichtungen sind vielfältig.« Ich merke,
dass ich grinsen muss. »Meine übrigens auch«, fährt Danuta
ungerührt fort. »Jetzt zum Beispiel muss ich abstauben.« Wie
zum Beweis schwenkt sie einen bauschigen Staubwedel vor
meinem Gesicht und wackelt dann aus der Küche. Über die
Schulter hinweg ruft sie mir noch »Guten Appetit« zu.
Ich würge gerade so viele Löffel von dem Getreidebreizeug
hinunter, bis mein Magen aufhört zu rebellieren. Dann
schiebe ich die Schale von mir und wende mich dem Brief zu. Der Umschlag ist aus schwerem Papier, der Briefbogen,
den ich herausziehe, ebenfalls. Er ist von oben bis unten mit
der geschwungenen Schrift gefüllt, die ich bereits kenne.
Liebe Nicole,
noch einmal: willkommen bei uns.
Da ich das Haus heute früh verlassen habe, kann ich dich
leider nicht persönlich mit deinen Aufgaben vertraut machen,
ich bin mir aber sicher, dass du mithilfe meiner schriftlichen
Anleitungen deine Sache gut machen wirst.
Das heutige Tagesprogramm für Gwyneth und Gwendolyn
sieht aus wie folgt:
Um 11:15 a. m. holt die Limousine euch ab und bringt
euch zu Prof. Ono. Der Suzuki-Unterricht der Kinder beginnt
pünktlich um 11:30 a. m. Prof. Ono duldet keine Verspätungen!
Sorge also bitte dafür, dass die Zwillinge exakt um diese Zeit
dort ankommen.
Nach dem Unterricht um 12:30 p. m. steht euch die Limousine
nicht zur Verfügung, da ich sie selbst benötige. Bitte nutze
mit den Kindern unbedingt ein Yellow Cab, Fahrtgeld liegt bei.
Nach dem Mittagessen, um das Danuta sich kümmern wird,
sollen sich die Kinder exakt 30 Minuten ausruhen. Bitte achte
darauf, dass diese Zeit nicht überschritten wird. Danach schlage
ich vor, dass du mit den Kindern einen Spaziergang im Central
Park unternimmst, damit sie sich an der frischen Luft bewegen.
Sei aber auf keinen Fall später als um 5:00 p. m. zurück, denn
am Abend benötigen die Kinder Zeit, um sich auf ihre Aufgaben für den morgigen Tag vorzubereiten. Wenn ich um diese
Zeit noch nicht zurück bin, solltest du die Mädchen bei ihren
Übungen anleiten, für morgen müssen sie die Seiten 143–147
in ihrem Sprachlernbuch vorbereiten sowie die Übungen wiederholen,
die Prof. Ono ihnen heute aufgeben wird. Spätestens
um 7:00 p. m. müssen die Zwillinge in ihren Betten liegen.
Danke, Madeleine.
PS: Der Code für den Fahrstuhl lautet 78590434.
Fassungslos starre ich auf den Brief in meiner Hand. Die
Hälfte von dem, was da steht, verstehe ich nicht einmal richtig.
Sprachlich schon, zumindest das meiste, so schwierig ist
das Englisch nicht. Aber der Inhalt erschließt sich mir nicht.
Soll dies das Programm für einen einzigen Tag sein? So viel?
Und was bitte ist Suzuki-Unterricht? Mit Motorrädern hat
das sicherlich nichts zu tun!
Klipp und klar ist nur: Ich muss um Punkt 11:30 Uhr mit
den Mädchen bei irgendeinem Professor Ono sein. Hektisch
suche ich in der Küche nach einer Uhr. Da, am Herd ist ein
Timer mit Zeitanzeige befestigt. 10:57!
Shit! Jetzt aber schnell.
Es gibt nur ein Problem: Ich habe keine Ahnung, wo ich
die Zwillinge finde!
Wieder rettet mich Danuta. Als ich in den Flur geeilt
komme, staubt sie gerade inbrünstig die antike Kommode ab.
»Drittes Zimmer rechts«, erklärt sie mir und weist mich in
die richtige Richtung.
Die Zimmertür ist geschlossen. Ich weiß nicht, ob ich klopfen
soll, entscheide mich dann aber dafür. Auch Siebenjährige
brauchen vermutlich ihre Privatsphäre. Leider reagiert auf
mein zögerliches Pochen niemand. Und auch mein kräftigeres
Klopfen wird mit Schweigen quittiert. Vorsichtig öffne ich
die Tür und schiebe mich ins Zimmer.
Wow!
Der Raum sieht aus wie ein Musterbeispiel aus
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