New York - MERIAN Portraet
jüdischer Herkunft, der
Hollywood
für eine Bastion der Dekadenz hält und gerade einen gut dotierten Job als Drehbuchschreiber abgelehnt hat. Sie: gefeierter Hollywoodstar, Sexsymbol wider Willen, verletzlich und anlehnungsbedürftig, kulturbeflissen und wissbegierig – und auf der Suche nach einem »Daddy«, der ihr Halt gibt.
Arthur Miller, dessen gesellschaftskritisches Drama »Tod eines Handlungsreisenden« zu Hause am
Broadway
Furore macht, fängt sofort Feuer. Er lädt die scheue Schöne zu einer Party ein, die
Hollywood
ihm zu Ehren gibt, und holt sie – anstatt sie im Taxi vorfahren zu lassen – persönlich mit dem Auto ab. Eine Geste, die Marilyn beeindruckt.
Trotzdem wird es zwei Jahre dauern, bis Miller und Monroe zu einem der glamourösesten Liebespaare von New York zusammenfinden. Miller ist bereits verheiratet. Voller Gewissensbisse, »eine Blutspur von den Stacheln der Lust« hinter sich herziehend, flieht er zu seiner Familie nach
Brooklyn Heights
7 ( ▶ A 7 ) zurück, wo er mit seiner Frau
Mary Grace Slattery
und den beiden Kindern in einem hübschen Reihenhaus wohnt. Jahrelang hat Mary als Lektorin die Familie ernährt. Jetzt, nachdem Arthur den Pulitzerpreis gewonnen hat und endlich gut verdient, möchte er sie nicht im Stich lassen. Trotzdem geht ihm Marilyn nicht aus dem Kopf. Doch die heiratet erst einmal den Ex-Baseballspieler
Joe DiMaggio
.
Arthur Miller wurde am 17 . Oktober 1915 in New York als Sohn einer jüdischen Emigrantenfamilie aus
Polen
geboren. Sein Vater
Isidore »Izzie«
hatte sich in
Harlem
zum Textil-Unternehmer hochgearbeitet. Arthurs bildungshungrige Mutter
Augusta
liebte das Theater und infizierte ihren Jüngsten mit dem Bühnenvirus. Schon als Achtjähriger besuchte er Aufführungen am
Broadway
6 ( ▶ F 4 ) , zappelig vor Aufregung, bis endlich der Vorhang aufging. Weitere Versuche seiner Mutter, den hochgewachsenen Sohn auch musikalisch zu fördern, scheiterten: Arthur spielte mit der Geige seines Lehrers lieber Tennis.
Ähnlich lässig verläuft auch seine jüdische Erziehung. In der Synagoge hockt er auf dem Schoß seines Urgroßvaters und erfindet seine eigene Religion. Der heißgeliebte Uropa ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, so pointensicher, dass er die Erde nicht verlässt, ohne selbst eine gute Story zu hinterlassen. Arthur Miller schildert in seiner Autobiographie »Zeitkurven« dessen eindrucksvollen Abgang. Als der fast 90 -Jährige spürt, dass es bald vorbei sein wird, lässt er den Rabbi kommen. Nach dem Gebet wacht er noch einmal auf, tastet unter sein Kopfkissen – und ist sofort hellwach. Das Säckchen mit den Diamanten ist verschwunden! Zitternd vor Wut erhebt sich der alte Mann, er greift nach seinem Stock und spaziert über die
Madison Avenue
zur Synagoge, wo er den Rabbi mit seinem »Knüppel der Gerechtigkeit« windelweich prügelt und zur Herausgabe des gestohlenen Vermögens zwingt. Erst dann kehrt er zufrieden in sein Sterbebett zurück.
DIE WELTWIRTSCHAFTSKRISE FORMT IHN
In den 20 er-Jahren wohnen die Millers in
Harlem
am Nordrand des
Central Parks
. Noch scheint die Welt in Ordnung zu sein, doch der Kurssturz an der
Wall
Street
42 ( ▶ B 5 ) reißt die Weltwirtschaft in den Abgrund und verschont auch den väterlichen Betrieb nicht. Die Familie zieht nach
Brooklyn
um. Um sein Literaturstudium zu finanzieren, jobbt Arthur als Tellerwäscher und Hafenarbeiter. Er gewinnt Einblick in das Arbeitermilieu, für das er sich zwar engagiert, doch als Jude aus der gebildeten Mittelschicht bleibt er ein Außenseiter. Er sieht in der Wirtschaftskrise »eine moralische Katastrophe, eine gewaltsame Entschleierung der Scheinheiligkeit hinter der Fassade der amerikanischen Gesellschaft« .
Aus dieser Erkenntnis formt er den Stoff für seine sozialkritischen Theaterstücke. Schreiben wird für ihn zu einem Akt der Selbsterforschung, 1944 wird sein erstes Drama »The Man Who Had All the Luck« in New York uraufgeführt. Den Durchbruch erlebt er im Alter von 33 Jahren mit »Tod eines Handlungsreisenden«, der Tragödie des Handelsvertreters Willy Loman, der am unbarmherzigen Wirtschaftssystem und seiner Lebenslüge zugrundegeht. Das Stück ist ein Abgesang auf die Ideologie des amerikanischen Traums, wird 1949 am
Broadway
uraufgeführt und beschert dem jungen Autor quasi über Nacht Weltruhm. New York liegt ihm zu Füßen.
Zeitsprung in die 50 er-Jahre – Pressewirbel in der
Lexington Avenue
( ▶ J 5 ) : An der Subway-Station spielt sich eine
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