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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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noch zu entscheiden, was wir mit Mister Scroope machen.»
    «Wir müssen doch wohl einen Haftbefehl gegen ihn erwirken», sagte ich. «Das Flottenamt wird bestätigen, ihm die Exportlizenzen für Zinngeschirr erteilt zu haben und dann können wir ihn wegen illegalen Besitzes von Edelmetall zum Zweck des Verkaufs an eine feindliche Macht festnehmen. Denn allem Anschein nach ist er ja zudem ein französischer Spion.
    Was dafür spricht, dass er auch noch das Ziel verfolgte, die Münzerneuerung zu sabotieren.»
    «Da mögt Ihr Recht haben», sagte Newton in einem Ton, welcher erkennen ließ, dass ihn in Sachen St. Leger Scroope immer noch irgendetwas quälte. Normalerweise war er höchst erpicht darauf, Missetäter verhaften zu lassen, sobald er genügend Beweise beisammenhatte, um einen Haftbefehl zu erwirken. Jetzt hingegen klang er überaus zögerlich. Doch meine verblüffte Miene bewog ihn gleich darauf zu einer näheren Erklärung.
    «Ich gebe mir selbst die Mitschuld an Scroopes Absturz ins
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    Verbrechen. Ich habe mich in Cambridge sehr wenig um ihn gekümmert. Ich habe an ihm versagt, Ellis und dafür gibt es keine Entschuldigung.»
    «Nein, Sir, nicht Ihr habt versagt. Nach dem, was Ihr mir erzählt habt, hat Scroope selbst versagt. Vielleicht zeigte er ja damals schon jenen Mangel an Charakter, welcher ihn den bequemen statt den rechten Weg wählen ließ.»
    Ich sagte noch andere Dinge, um das Gewissen meines Herrn zu beschwichtigen, aber es nützte alles nicht viel und dort im Griechischen Kaffeehaus setzte er schweren Herzens den Haftbefehl gegen Scroope auf und unterzeichnete ihn, wie es in seiner Macht als Friedensrichter stand.
    «Wenn wir nur Zeit hätten», sagte er, «würde ich dafür ins Old Bailey gehen, denn aufgrund der Geschichte zwischen Scroope und mir hielte ich es für besser, wenn der Haftbefehl von einem anderen Friedensrichter ausgestellt würde. Aber wir haben keine Zeit. Nicht einmal um uns ein paar Büttel zur Hilfe zu holen, denn dieser Vogel kann jederzeit ausfliegen und das zwingt uns, jetzt sofort hinzugehen und ihn zu verhaften. Habt Ihr Eure Pistolen dabei, Ellis?»
    Ich bejahte und binnen einer Viertelstunde waren wir wieder auf dem Weg zu Scroopes Geschäftslokal beim Wirthausschild des Bell, um ihn zu verhaften.
    Nachdem wir unseren Haftbefehl vorgezeigt hatten, ließ uns Scroopes mittlerweile zurückgekehrter Marrano-Diener Robles ein. Ein seltsamer Anblick bot sich uns: Die Möbel waren vor dem Kamin aufgestapelt, als wollte jemand, dass sie Feuer fingen. Doch wir hatten kaum Zeit, uns darüber zu wundern, denn Scroope erwartete uns hinter der Tür, eine Pistole auf uns gerichtet.
    «St. Leger Scroope», sagte Newton, die Pistole ignorierend, aber es klang eher hoffend denn befehlend. «Ich habe einen Haftbefehl gegen Euch.»

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    «Ach ja?», sagte Scroope grinsend.
    Angesichts der Situation versuchte Newton Scroope zu überlisten, indem er ihm, ganz als hielte er alle Trümpfe in der Hand versicherte, dass er auch jetzt noch viel für ihn tun könne.
    «Ich habe bewaffnete Männer draußen und es gibt für Euch kein Entkommen. Aber es steht in meiner Macht, bei den Lordrichtern selbst um Euer Leben zu bitten», erklärte er. «Es gibt allen Anlass zu hoffen, dass Ihr nic ht gehängt, sondern deportiert werdet. Mit ehrlicher Reue, etwas Fleiß und Gottes gnädigem Beistand kann sich ein Mann in Amerika durchaus ein neues Leben aufbauen. Ich fordere Euch daher auf, Euch zu ergeben, Mister Scroope.»
    Robles starrte verzweifelt aus dem Fenster.
    «Ich lasse mich nicht auf einem Henkersschlitten zum Tyburn schleifen, Sir», sagte Scroope. «Damit man mir die Nestel löst, wie man einen alten Gaul abhalftert und mir den letzten Anzug aus Teer verpasst. Niemals, so viel steht fest. Ich habe keine Angst vor dem Tod, nur vor der Art des Sterbens. Eine Musketenkugel ist mir noch lieber, als mich in Eure blutigen Mörderhände zu geben.»
    «Ich habe niemanden ermordet», sagte Newton. «Hinter mir steht das Gesetz.»
    «Das Gesetz mordet viele, die unschuldiger sind als ich, Doktor.
    Aber ich habe nichts gegen das Gesetz. Nur gegen Euren Glauben.»
    «Meinen Glauben? Aber warum? Seid Ihr römischkatholisch?»
    «Ja, bis in den Tod.» Er sah nervös zu Robles hinüber. «Und?
    Was seht Ihr?»
    «Nichts. Da ist niemand», sagte Robles schließlich.
    «Wie?», sagte Scroope. «Ihr glaubt, Ihr könnt mich täuschen, Doktor? Ihr versprecht mehr, als Ihr halten könnt. Aber das

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