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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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war immer schon so. Trotz Eures feierlichen Eides im Trinity war
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    wohl bekannt, dass Ihr Eure theologischen Pflichten nie erfülltet. Ihr interessiertet Euch stets mehr für die Alchemie als für die Lehraufgaben. Ihr wart keiner, der so viel Geld wie möglich aus Schülern schlagen wollte, das muss ich Euch lassen, Doktor, aber Eure eigenen Interessen standen Euren Verpflichtungen stets auf den Fersen. Dennoch wird es mir Leid tun, jemanden wie Euch töten zu müssen, Doktor, denn ich halte Euch für einen großen Mann. Doch Ihr lasst mir keine Wahl.
    Und es ist überaus praktisch, dass Ihr selbst hergekommen seid.
    Mister Robles und ich wollten gerade das Haus in Brand stecken, um unser Verschwinden zu verschleiern. Aber Ihr hättet Euch wohl kaum damit zufrieden gegeben, Doktor, ohne zwei verkohlte Leichen. Jetzt hingegen habt Ihr all unsere Probleme gelöst. Indem wir Euch beide umbringen, liefern wir auch noch die Leichen, welche man zweifellos für die unsrigen halten wird.»
    «Seid versichert, Eure Lage ist hoffnungslos», erklärte Newton.
    «Das Haus ist von meinen Männern umstellt. In unserem Eifer, Euch zu verhaften, waren wir schon vor ihnen da. Wo also wollt Ihr hin?»
    Scroope sah unsicher zu Robles hinüber. «Seid Ihr sicher, dass dort draußen niemand ist?», fragte er. «So wie der Doktor auftritt, scheint es mir doch wahrscheinlich.»
    «Da ist niemand», sagte Robles. «Schaut doch selbst, Sir.»
    «Und den Blick von diesen beiden Gentlemen hier wenden?
    Lieber nicht. Zündet das Feuer an.»
    Robles nickte und ging zum Kamin, wo er Schwefelhölzer aus einer Zunderbüchse nahm und eine Flamme an etwas trockenes Spanholz hielt.
    In diesem Mome nt dachte ich, Newton hätte irgendeine Art Schlag erlitten, denn er stöhnte auf, sank auf ein Knie hinab und hielt sich die Seite.
    «Was quält Euch, Doktor?», fragte Scroope. «Der Gedanke zu
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    sterben? Es wird schnell gehen, das verspreche ich Euch. Eine Kuge l in den Kopf ist besser als das, was Eure Justiz mir geboten hätte. Was ist, Sir, könnt Ihr stehen?»
    «Ein altes Leiden», flüsterte Newton, während er sich mühsam auf die Beine kämpfte. «Der Rheumatismus, schätze ich. Wenn ich einen Stuhl haben könnte.»
    «Wie Ihr seht», sagte Scroope, «sind all unsere Stühle für unsere Feuersbrunst aufgeschichtet.»
    «Dann einen Stock. Dort ist einer.» Newton zeigte auf einen Spazierstock, welcher an der Wand lag. «Außerdem will ich, wenn ich schon sterben muss, dem Tod stehend ins Auge sehen.»
    «Bravo, Doktor, Ihr klingt wie ein rechter Held», sagte Scroope.
    Er ging rückwärts zur Wand, hob den Stock vom Boden auf und reichte ihn Newton mit dem Griff voran.
    «Danke, Sir», sagte Newton und nahm den Stock. «Ihr seid sehr gütig.»
    Doch kaum hatte er den Stock ergriffen, zog er auch schon eine Klinge und erst als mein Herr Scroope schon in die Rippengegend stach, fiel mir wieder ein, dass dieser raffinierte Stock ja eine Waffe enthielt. Tatsächlich stach Newton nur leicht zu, aber Scroope stieß einen Schrei aus, als sei er tödlich getroffen. Und vor Überraschung feuerte er einen Schuss ab, welcher jedoch, ohne weiteren Schaden anzurichten, in die Decke ging.
    Darauf zog Robles seinen Degen und ich zog meinen, da keine Zeit blieb, meine Pistole hervorzuholen und zu spannen und wir fochten drauflos, während Scroope meinem Herrn die leere Pistole an den Kopf warf, ihn auf diese Weise zu Boden schickte und in Richtung der hofwärts gelegenen Räume floh.
    Inzwischen brannte das Mobiliar und mit ihm ein Teil des Raumes, sodass Robles und ich vor den Flammen fechten mussten, was für meinen Kontrahenten die größere Ablenkung
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    war, da sich das Feuer in seinem Rücken befand. Newton lag immer noch reglos am Boden, was mich schon genug ablenkte, aber schließlich gelang mir ein Ausfall und ich stach Robles den Degen in die Seite, worauf er die Klinge fallen ließ und wie am Spieß schrie. Während ich Robles zur Tür hinausschob, packte ich meinen Herrn am Rockkragen und zerrte ihn auf die Straße, denn das Haus brannte jetzt lichterloh.
    Draußen steckte ich den Degen weg und zog die Pistolen, in der Erwartung, dass Scroope doch noch die Flucht versuchen würde.
    Aber nicht Scroope kam gleich darauf hustend aus dem Haus, sondern die Frau, welche ihren Gatten vergiftet hatte und uns entkommen war. Mrs. Berningham, die davongerannt wäre, hätte ich sie nicht gepackt und festgehalten, bis jemand einen Büttel

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