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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Tun in Scroopes ureigenstem Interesse. Er muss denken, wir seien seine Freunde.»
    Unser Spaziergang führte uns durch die Thames Street und über die stinkende Fleet Bridge mit ihren vielen Fischweibern - wo ich mir für drei Pence Austern für ein ambulantes Frühstück kaufte in die Fleet Street und den Strand. Ich versuchte, das Gespräch auf Miss Barton zu bringen, aber als ich sie erwähnte, wechselte Newton rasch das Thema und ich blieb mit dem Gefühl zurück, dass ich ihr Schlimmeres angetan hatte, als meinem Herrn je widerfahren war. Das dachte ich jedenfalls in dem Moment. Später kam ich auf eine andere Erklärung, warum er nicht mit mir über seine Nichte reden wollte.
    Nach einem Fußmarsch von fast einer Stunde erreichten wir Mister Scroopes Geschäftslokal in der Nähe des Maypole, an der Kreuzung Drury Lane. Scroope schien höchst beunruhigt, als wir plötzlich vor seiner Tür standen, was Newton meiner Meinung nach genoss, da er inzwischen überzeugt war, dass ein Mann, welcher seine Universität nicht mit einem Examen verlassen hatte, nichts taugen könne und dadurch im Nachhinein gerechtfertigt sah, dass er Mister Scroope damals so vernachlässigt hatte.
    Nachdem Newton seine überaus plausible Erklärung für unser neuerliches Erscheinen vorgebracht hatte, führte uns Scroope in
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    sein Kabinett, wobei er die ganze Zeit vor sich hin brummelte, als Geschäftsmann habe man heutzutage so viele Vorschriften zu beachten, dass man sich schon wünschen könne, diejenigen, welche die Gesetze machten, würden in die Dunggrube von Bedlam getunkt.
    «Nichts als Vorschriften und Steuern. Wenn es nicht die Fenster sind, für die der Staat Geld will, dann ist es das Heiraten oder das Begrabenwerden. Schlimm genug, dass die Gültigkeitsfrist des alten Geldes bald abläuft. Aber es wird so wenig neues hergestellt.»
    «Hergestellt wird genug», sagte Newton. «Man rechnet, dass die Münze in diesem Monat Silbermünzen im Wert von über dreihundertdreißigtausend Pfund prägen wird. Nein, Sir, das Problem ist, dass es Leute gibt, welche das Geld in Erwartung einer Wertsteigerung horten.»
    «Diese Beschuldigung kenne ich nur zu gut», lamentierte Mister Scroope. «Ich glaube, ich kann nachfühlen, wie es ist, Jude zu sein, denn den Gold- und Silberschmieden dieser Stadt wird beständig unterstellt, Edelmetalle zu horten. Aber ich frage Euch, Doktor, wie soll man diese Art Geschäft betreiben, ohne eine gewisse Menge an Gold und Silber vorrätig zu haben, damit man schmieden kann, was der Kunde wünscht? In diesem Gewerbe muss man Material haben, sonst kann man es gleich sein lassen.»
    Material nannten die Goldschmiede ihre Edelmetallvorräte.
    «Nun, Sir», sagte Newton, «können wir sehen, was Ihr an Material habt? Dann werden wir Euch in Ruhe lassen, das verspreche ich Euch, denn mir behagt diese Prüferei ebenso wenig wie Euch. Als ich Cambridge verließ, um zur Münze zu gehen, dachte ich nicht, dass ich hier als Geldpolizei zu fungieren hätte.»
    «Diese Angelegenheit ist überaus lästig und ärgerlich.»
    «Ich bin persönlich gekommen, Sir», sagte Newton steif, «weil
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    ich Euch die Qual ersparen wollte, von einem dieser Strolche kontrolliert zu werden. Aber vielleicht ist es ja doch besser, Ihr verbringt einen Tag oder zwei mit einem dieser Inspektoren.
    Vielleicht wäre Euch deren scharfer Blick ja lieber als das blinde Auge eines alten Freundes und Trinity-Kommilitonen.»
    Und damit machte Newton Anstalten, wieder zu gehen.
    «Bitte, Sir, wartet doch einen Moment», sagte Scroope, jetzt wieder überaus ölig. «Ihr habt ja Recht. Ich zeige mich äußerst undankbar für den Dienst, welchen Ihr mir erweist. Verzeiht mir, Sir. Ich war nur gerade mit etwas beschäftigt und bin für die nächste Stunde allein. Doch jetzt denke ich schon, dass das ein Weilchen warten kann. Und ich würde es als eine Ehre betrachten, wenn Ihr meine Bücher kontrolliertet, Doktor Newton.»
    Scroope führte Newton in einen angrenzenden Raum, welcher so klein war, dass ich nicht mit hineinpasste und sobald ich Scroope ansetzen hörte, Newton seine Buchführung zu erklären, entschuldigte ich mich und ging mich ein wenig umsehen.
    Scroope war ganz offensichtlich ein wohlhabender Mann. An den Wänden hingen erlesene Tapisserien und Gemälde, während das Mobiliar den Geschmack eines viel gereisten Mannes spiegelte. Es gab eine Art Bibliothek, ausgestattet mit etlichen hübschen Bücherregalen und dominiert von der

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