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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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gerufen hatte.
    Eine Spritze wurde herbeigeschafft. Da sich jedoch allem Anschein nach immer noch ein bewaffneter Mann im Haus befand, wagte sich keiner der Feuerwehrmänner hinein, wenngleich das Feuer inzwischen so heftig wütete, dass es bereits die Nachbarhäuser bedrohte. Erst als ich den Wehrmännern versicherte, dass der Eigentümer des Hauses ein Verbrecher sei und sie deshalb wohl kaum für den Schaden haftbar machen werde, holten sie Haken und Seile, um das lodernde Gebäude einzureißen. Unterdes war Newton wieder zu sich gekommen.
    Ich war eine Zeit lang unsicher, ob St. Leger Scroope in den Flammen umgekommen oder entflohen war, aber für Newton stand die Antwort zweifelsfrei fest. Denn als wir den Hinterhof inspizierten, fanden wir Blutspuren auf den Pflastersteinen, was die Sache eindeutig zu klären schien.
    Nachdem ihn ein Arzt untersucht hatte, wurde Scroopes Diener Robles, gemeinsam mit Mrs. Berningham, auf die Krankenstation von Newgate gebracht. Da er sich dem Tod nahe glaubte obwohl ich schon Männer von schlimmeren Wunden als meinem Rapierstich hatte genesen sehen, gestand er seine
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    Beteiligung an den Morden an Mister Kennedy und Mister Mercer, welche, wie Newton vermutet hatte, tatsächlich daraufhin ausgestaltet worden waren, das Interesse des Münzwarts zu fesseln.
    «Im Whit ist wohl bekannt, wie Ihr Männer unter Druck setzt, damit sie singen. Mister Scroope hat Euch sehr gefürchtet, Doktor Newton, vor allem, als Ihr Daniel Mercer und John Berningham auf die Spur gekommen wart, denn die hätten Euch alles sagen können, was Ihr wissen wolltet. Dass wir nämlich, um's kurz zu sagen, Goldguineen gefälscht und Silber nach Frankreich geschmuggelt haben, zur Unterstützung des Franzosenkönigs Louis und der Katholiken überhaupt. Damit stand fest, dass Mercer und Berningham zum Schweigen gebracht werden mussten und das hieß, dass Euer Spion ebenfalls sterben musste, weil er Mercer im Auge hatte. Ich habe ihm eins über den Schädel gezogen und ihn dann sozusagen in Gesellschaft der Löwen zurückgelassen.
    Dieser Teil der Sache war Mister Scroopes Idee. Weil er Euch nämlich ablenken wollte, Sir, indem er Euch etwas lieferte, was Eure Phantasie beschäftigen würde. Er sagte, dass Ihr Euch sehr für Alchemie interessiert und dass wir deshalb dafür sorgen würden, dass es so aussähe, als hätten irgendwelche Philosophen die Morde begangen. Und dass wir zudem eine höchst geheimnisvolle Chiffre benutzen würden, welche Euch noch mehr fesseln würde.»
    «Aber wie seid Ihr so einfach in den Tower und wieder hinausgelangt?», fragte Newton.
    «Das war leicht. Das erste Mal kamen wir als Dungsammler.
    Die Wache ging uns aus dem Weg, weil den Dungmännern niemand zu nahe kommen will. Und während Mister Scroope den Soldaten mit einer Frage ablenkte, stibitzte ich den Schlüssel zum Löwenturm. Wo er hing, wussten wir, weil ich mit dem Löwenwärter getrunken und es dabei erfahren hatte.
    Euer Spion wartete unterdes wohl verschnürt und geduldig in
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    Mister Scroopes Kutsche draußen auf dem Tower Hill.
    Beim zweiten Mal brachten wir eine Fuhre Heu. Ich tötete Mercer in unserer Werkstatt und legte ihn auf den Karren, während Mister Scroope in Mercers Wohnung ging, um dort weitere Zerstreuungen für Euch zu hinterlassen. Dann fuhren wir in den Tower, luden den Leichnam ab, arrangierten alles so, wie Ihr es dann vorfandet, brachten das Heu in die Stallungen und fuhren wieder weg.»
    «Und das Buch in der Tower-Bibliothek?», fragte Newton. «Hat Mister Scroope das auch für mich ausgelegt?»
    «Ja, Sir, so war's.»
    «Ich wüsste gern noch mehr über Mrs. Berningham», erklärte ich Robles.
    «Sie und Scroope waren ein heimliches Paar, Sir», sagte Robles.
    «Aber sie war eine skrupellose Person. Hat auf Scroopes Befehl ihren Mann vergiftet, ohne mit der Wimper zu zucken.»
    Robles hielt einen Moment inne, da er mächtig husten musste und noch immer in dem Glauben, dass er sterben müsse, sagte er: «Jetzt habe ich Euch alles gesagt, Sir. Tut mir nicht Leid, dass ich es von meinem Gewissen habe.»
    Mir hingegen sollte es Leid tun, dass der arme Kerl nicht auf der Stelle starb, denn drei Monate später wurde Robles zum Tyburn geschleift, wo er erst zum Tode und dann zu einem der grausigen Stadtwächter befördert wurde, denn sein Kopf wurde an einem Ort zur Schau gestellt, wo er auf ganz London herabblicken konnte.
    Robles Tod war schon grausam genug, aber doch nichts verglichen mit

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