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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Europa herumreist und sich unrechtmäßig bereichert, indem er vorgibt, die Kunst der Transmutation zu demonstrieren. In London ist er Graf Gaetano, in Italien und Spanien hingegen war er der Conte de Ruggiero, während er sich in Österreich und Deutschland als Generalfeldzeugmeister des bayerischen Kurfürsten ausgab.»
    Newton wartete die Wirkung dieser Enthüllungen ab, ehe er hinzusetzte: «In Wahrheit jedoch ist er einfach nur Domenico
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    Manuel, Sohn eines neapolitanischen Goldschmieds und Schüler von Lascaris, einem anderen großen Quacksalber und Scharlatan.»
    «Unsinn», schnaubte der Graf. «Dummes Geschwätz. Der holländische Botschafter ist ein ebenso niederträchtiger Lügner wie Ihr, Doktor Newton. Entweder ein Lügner oder aber ein Zecher und Trunkenbold wie all seine Landsleute.»
    Diese letzte Bemerkung behagte den Lordrichtern gar nicht und es war Lord Halifax, welcher ihrer offensichtlichen Irritation Ausdruck verlieh.
    «Graf Gaetano oder wie immer Ihr heißt, es wird Euch vielleicht interessieren, dass unser geliebter König William nicht nur ein entfernter Cousin des holländischen Botschafters, sondern auch selbst Holländer ist.»
    Was den Italiener in beträchtliche Konfusion stürzte.
    «Oh, ich wollte keineswegs sagen, dass Seine Majestät ein Trunkenbold ist. Und ich meinte auch nicht wirklich, dass jeder Holländer ein Trunkenbold ist. Nur, dass der Botschafter sich irren muss...»
    «Schweigt, Sir», befahl Lord Halifax.
    Danach hatte es Newton nicht schwer, Graf Gaetanos Geschichte weiter zu diskreditieren und schließlich befahlen die Lordrichter, den Grafen abzuführen und unter Bewachung nach Newgate zu bringen, bis weitere Ermittlungsergebnisse vorlägen.
    «Ich fürchte, wir sind noch nicht aus dem Schneider», murmelte Newton, als die Gerichtsdiener Gaetano aus dem Saal geleiteten.
    «Man bringe den nächsten Zeugen herein», befahl Lord Harley.
    «Man bringe Mister Daniel Defoe.»
    «Wie ist er aus Newgate herausgekommen?», wisperte ich und obwohl mir bei dem Gedanken, was Defoe wohl gegen meinen Herrn vorbringen würde, das Herz in die Hose rutschte, ließ ich
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    mein Gesicht das Gegenteil vorspiegeln und lächelte ihm, als er hereinkam, zuversichtlich entgegen, damit ihm klar würde, wie aussichtslos es war, dem Ruf eines so bedeutenden Mannes etwas anhaben zu wollen.
    Die Verhaftung des Italieners hatte Mister Defoe sichtlich beeindruckt, denn als er den Saal betrat, wirkte er höchst erschrocken. Doch er fasste sich rasch wieder und erwies sich als ein wesentlich standhafterer Zeuge.
    Er erhob zweierlei Anschuldigungen gegen Newton: zum einen, dass dieser eine abweichlerische Kirche französischer Sozinianer in Spitalfields betreten habe und zum anderen, dass er ein enger Freund von Mister Fatio sei, dem schweizerischen Hugenotten, welchem ich im Kaffeehaus begegnet war, kurz bevor mich das Fieber hingestreckt hatte.
    «Dieser Mister Fatio», erklärte Defoe, «steht in begründetem Verdacht, einer Sekte extremer Dissenter anzugehören, welche glauben, Tote auf jedem beliebigen Friedhof wiedererwecken zu können.»
    «Was habt Ihr dazu zu sagen, Doktor Newton?», fragte Lord Harley.
    Newton erhob sich und verbeugte sich förmlich. «Was er sagt, entspricht voll und ganz der Wahrheit, Mylord», sagte er, was lautes Gemurmel seitens der Lordrichter hervorrief. «Aber ich bin sicher, die Sache wird sich rasch zu Eurer Zufriedenheit klären lassen. Ich betrat die französische Kirche in dem Bemühen, an Informationen zu gelangen, die mir helfen könnten, Licht in gewisse rätselhafte Mordfälle zu bringen, welche sich im Tower ereignet haben und Euch, wie ich glaube, bekannt sind. Einer der Toten, Major Mornay, hatte dieser französischen Glaubensgemeinschaft angehört und ich ging in die Kirche, weil ich hoffte, dort mit Freunden des Majors sprechen zu können und zu erfahren, ob es irgendwelche Umstände gab, die ihn hätten veranlassen können, sich das
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    Leben zu nehmen.
    Was Mister Fatio angeht, so ist er ein junger Mann, welcher gewisse Ansichten hegt, die mir zuwider sind. Aber er ist auch Mitglied der Royal Society und ein Freund von mir und ich bin zuversichtlich, dass sein Verstand es ihm mit der Zeit erlauben wird, seine jugendliche Tollheit als solche zu erkennen und die Vernünftigkeit der Argumente einzusehen, welche ich immer wieder gegen seine offenkundig blasphemischen Ansichten vorgebracht habe.»
    Hier sah Newton zu mir herüber, als

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