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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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mich an, ein so wissendes Lächeln, dass ich zurückgrinste wie ein Schwachsinniger und dachte, dass ja vielleicht doch noch Hoffnung für mich bestand.
    Von der Jermyn Street fuhr uns Mister Woston nach Whitehall, zu den Lordrichtern. Newton schien ob der vor ihm liegenden Prüfung beunruhigter, als ich ihn je erlebt hatte. Nicht einmal als er in Scroopes Pistolenlauf geblickt hatte, war er so nervös gewesen wie jetzt.
    «Es ist nur eine informelle Anhörung», sagte er, wie um sich selbst zu beruhigen. «Das stand ausdrücklich in dem Schreiben Ihrer Lordschaften. Und ich habe allen Anlass zu hoffen, dass sich die Sache rasch klären lassen wird. Doch wenn Ihr bitte so freundlich wärt, jedes meiner Worte festzuhalten, für den Fall, dass ich ein Protokoll dieser Vorgänge benötige.»
    Und so durfte ich mit in den Saal, wo die Lordrichter, welche das Land regierten, versammelt waren. Ihre Gesichter stimmten mich alles andere als optimistisch, denn sie sahen auf Newton herab, als ob sie nur widerwillig hier säßen und ihm durch eine gewisse Geringschätzigkeit zu verstehen geben wollten, dass sie sich keineswegs von seiner berühmten Intelligenz zum Narren
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    halten lassen würden.
    Ich erkannte rasch, welcher Art die vorliegenden Anschuldigungen waren und dass mein Herr vielleicht doch deren Schwere nicht richtig begriffen hatte, falls man denn über Newton so etwas sagen darf, da die Lordrichter, kurz nachdem wir im Saal waren, eine kurze Ansprache darüber hielten, wie ernst diese Angelegenheit sei und wie sehr sie alle Dissenter und gelegentlichen Konformisten verabscheuten. Dann führte ein Gerichtsdiener den Grafen Gaetano herein, den Mann, der meinem Herrn hatte vorschwindeln wollen, er habe Blei in Gold verwandelt.
    Als Gaetano vor den Lordrichtern stand, um seine Aussage zu machen, wirkte er nervös und wenig überzeugend, aber ich war dennoch von den himmelschreienden Lügen, welche dieser Italiener auftischte, so überrumpelt und schockiert, dass ich zeitweise kaum mitschreiben konnte.
    Er bezichtigte Newton, ein Bestechungsgeld dafür gefordert zu haben, die Goldprobe, die er ihm gezeigt habe, für echt zu erklären. Und er bezichtigte Newton ferner, gedroht zu haben, dass er vor die Royal Society gehen und ihn, den Grafen, unter Eid als Betrüger denunzieren werde, wenn er nicht fünfzig Guineen erhalte. Und als er Newton vor einem Meineid gewarnt habe, habe dieser nur gelacht und erklärt, es kümmere ihn nicht, was er auf die Bibel schwöre, da er nichts von dem glaube, was darin stehe.
    Die Lordrichter wiesen Newton darauf hin, dass das englische Recht per Gesetz von 1676 Hüter der Heiligen Schrift und zu einem gewissen Grad auch der Glaubenslehre sei und erklärten, es handle sich hier um überaus ernste Anschuldigungen, wenn dies auch kein Prozess sei und es nur darum gehe, sicherzustellen, dass das Münzwartamt einer geeigneten und sittlich einwandfreien Person übertragen sei. Lord Harley führte die Befragung und Lord Halifax war derjenige, der am meisten zu Newtons Verteidigung tat.
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    Newton erhob sich, um zu den Anschuldigungen des Italieners Stellung zu nehmen. Er sprach so emotionslos, als debattiere er mit Mitgliedern der Royal Society über ein wissenschaftliches Thema, aber ich sah, wie erschüttert er ob dieser Behauptungen war, welche die Sache mit der Transmutation aufs Geschickteste mit seiner doppelbödigen Glaubenshaltung verknüpften.
    «Ich bitte Eure Lordschaften um Erlaubnis, Euren Lordschaften einen Brief vorlegen zu dürfen, welchen mir der holländische Botschafter in London sandte», sagte Newton.
    Ihre Lordschaften nickten und Newton reichte mir einen Brief, damit ich ihn an ihren Tisch brächte. Ich stand auf, nahm den Brief, ging damit zum Richtertisch, verbeugte mich förmlich, legte den Brief vor die Lordrichter hin und kehrte dann wieder auf meinen Platz neben Newton zurück.
    «Dieses Schreiben bestätigt, dass der Graf dem Cousin des Botschafters am Wiener Hof fünfzehntausend Mark gestohlen hat.»
    «Das ist eine verdammte Lüge», erklärte der Graf.
    «Graf Gaetano», sagte Lord Halifax und reichte den Brief weiter, damit Ihre Lordschaften ihn überfliegen konnten. «Ihr habt gesprochen. Jetzt muss Doktor Newton Gelegenheit haben, Eure Behauptungen zu widerlegen, ohne dabei unterbrochen zu werden.»
    «Danke, Mylord. Der Botschafter», sagte Newton, «teilt mir in diesem Schreiben mit, er sei bereit, persönlich zu bezeugen, dass der Graf in

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