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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Leuten wie Nostradamus, deren Prophezeiungen sich allein ihres kryptischen Stils und mehrdeutigen Inhalts wegen zu erfüllen scheinen. Ich finde es daher überaus folgerichtig, wenn sich Meineidige und Schurken wie Titus Oates und Mister Foe die Scharlatanerien dieses Franzosen zunutze machen. Denn das ist die wahre Funktion von Horoskopen, das geeignete Werkzeug für Lügner und Hochstapler abzugeben.
    Aber unser Mister Defoe ist ein cleverer Mann», räumte Newton ein. «Ein höchst geschickter Propagandist. Er schiebt die Schuld an der Münzknappheit auf katholische Goldschmiede, die Mengen von Edelmetall horten. Genauso war es 1572 in Paris, als das Geld auch kaum noch etwas wert war und man die Hugenotten verdächtigte, Geld zu horten, da sie als tüchtige Geschäftsleute bekannt waren.
    Unser Mister Defoe erwähnt ferner, dass der Herzog von Barwick mit einer irischen Jakobiterarmee aus Frankreich übersetzt, was mit Sicherheit große Panik erzeugen wird. Nichts vermag Engländer so wirksam in Nervosität und Zorn zu versetzen wie die irische Gefahr. Und wenn Whitehall brennt, während dieses Pamphlet im Umlauf ist, wer weiß, was dann im Namen des Protestantismus geschehen könnte. Zumal wenn das Volk Zugang zu Waffen erhält.
    Wir müssen das Erscheinen dieses Pamphlets verhindern und
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    dann Lord Halifax alarmieren.»
    Früh am nächsten Morgen begleiteten etliche Männer der Geldpolizei Newton, Mister Hall und mich nach Bartholomew Close bei Smithfield. Mit einem Durchsuchungsbefehl bewehrt, verschafften wir uns Zugang zu den Räumlichkeiten von Mister Woodward und Mister Downing, die uns Oates als den Drucker und den Verleger des Pamphlets gena nnt hatte und unter Berufung auf die Druckplattenakte beschlagnahmten wir ihre Druckerpresse als mögliche Münzpresse. Woodward und Downing protestierten aufs Vehementeste und beteuerten, dass man ihre Presse zu nichts anderem nutzen könne als zum Drucken von Pamphleten, was Newton den nötigen Vorwand lieferte, die besagten Pamphlete ebenfalls zu beschlagnahmen, da sie, wie er erklärte, als Beweis dafür nötig seien, dass die Presse ausschließlich Druckzwecken diene. Es war ein höchst raffiniertes, wenn auch, wie ich zugeben muss, hinterlistiges Prozedere und es erfolgte keinen Moment zu früh, denn später sickerte durch, dass bereits einige Dutzend dieser aufwieglerischen Pamphlete in London kursierten.
    Am nächsten Tag fuhren wir per Kutsche nach Bushey Park, um Lord Halifax aufzusuchen.
    Es war das erste Mal, dass ich mit Seiner Lordschaft sprach, wenn ich ihn auch schon öfter im Schatzamt und in Whitehall gesehen hatte. Newton hatte mich bei diesem Gespräch dabeihaben wollen, weil die Lage so ernst war, er hatte Angst, man würde nicht einmal ihm glauben, wenn er eine so abstruse Geschichte vorbrachte.
    Charles Montagu, Earl von Halifax, war etwa fünfunddreißig Jahre alt. Er war eine Zeit lang Fellow am Trinity College in Cambridge gewesen und dort hatten er und Newton sich trotz des Altersunterschieds angefreundet. Halifax war unter denjenigen gewesen, die den Prinzen von Oranien aufgefordert hatten, seinen und seiner Gemahlin Anspruch auf den englischen Thron geltend zu machen und er war gewiss kein
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    Papistenfreund. Seine äußere Erscheinung war höchst gewinnend und sein Wohnsitz Apscourt überaus nobel und er nahm mich gleich für sich ein, indem er mir sehr höflich begegnete und erklärte, einer seiner Namen sei ebenfalls Ellis und vielleicht seien wir ja entfernt verwandt. Womit er natürlich mein Herz gewann.
    Lord Halifax hörte Newton sehr aufmerksam zu und holte am Ende der Geschichte eigenhändig jedem von uns ein Glas Wein.
    «Ungeheuerlich», sagte er, «dass jemand so etwas planen kann, hier in England und in unserem Jahrhundert.»
    «Höchst ungeheuerlich», stimmte ihm Newton zu.
    «Sie haben offensichtlich vergessen, wie Frankreich damals von ganz Europa dafür verurteilt wurde, dass es diese armen Hugenotten so brutal abgeschlachtet hatte. Wenn die Geschichte, wie Dionys ios sagt, die Lehre aus Beispielen ist, dann ist jetzt wohl offensichtlich, dass dieses Beispiel vergessen und die Lehre nicht gezogen wurde.»
    «Eure Lordschaft drücken es sehr gut aus», sagte Newton. «Ich habe mir die Freiheit genommen, eine Liste derjenigen zu erstellen, die unserer Meinung nach an dieser Verschwörung beteiligt sind.»
    Lord Halifax warf einen Blick auf die Liste und sagte, nachdem er kaum über die ersten beiden Namen

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