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Newtons Schatten

Newtons Schatten

Titel: Newtons Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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hinausgelangt sein konnte, in ernstem Ton: «Ich sehe, wir müssen sehr vorsichtig vorgehen. Lord Ashley und Lord Lucas sind mächtige Männer und würden zweifellos alles abstreiten und ihr Wort hätte Gewicht, selbst gegen Eures, Doktor. Aber Ihr sagt, uns bleibt noch etwas Zeit?»
    «Bis der Frieden geschlossen und der König wieder zurück ist», sagte Newton. «Ich glaube nicht, dass sie vorher zur Tat schreiten werden.»
    «Dann müssen wir abwarten», sagte Lord Halifax. «Und unsere Vorbereitungen treffen. Ich werde mit den Mylords Somers,
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    Wharton und Russell sprechen. Ich möchte, dass die Regierung in einer so delikaten Sache geschlossen handelt. Vorerst könnt Ihr die Dinge mir überlassen, Gentlemen. Und Ihr, Doktor Newton, solltet unterdes sorgsam auf Euren eigenen Schutz achten, denn all unsere Vorbereitungsmaßnahmen gegen diese Verschwörer würden wenig nützen, wenn dem Onkel der entzückenden Miss Barton etwas geschähe.»
    Das überraschte mich, weil ich nicht geahnt hatte, dass Seine Lordschaft die junge Dame kannte.
    «Ich bin fast immer an seiner Seite, Mylord», sagte ich. «Und ich trage stets einen Degen und Pistolen. Und Mister Hall ebenso.»
    «Seht Ihr?», sagte Newton. «Ich werde bestens beschützt.»
    «Das ist gut», sagte Lord Halifax. «Dennoch wäre es mir recht, Gentlemen, wenn Ihr der Münze fernbliebt, bis diese Sache erledigt ist. Wenn im Tower eine solche Gefahr umgeht, wäre es doch wohl töricht, Euch dem auszusetzen. In London herrscht ohnehin schon eine so starke antikatholische Stimmung, dass es zweifellos fatale Folgen hätte, wenn Ihr umgebracht würdet, Doktor. Es brauchte nur jemand vorzutreten und zu beschwören, dass Mister Ambrose und Mister Roettier wegen finsterer Pläne zur Ermordung des Königs den Strang verdient haben und schon würde in der ganzen City eine Katastrophe ausbrechen, welche schrecklicher wäre als das Große Feuer. Daher ersuche ich Euch, Doktor Newton, der Münze fernzubleiben und die Sache mir zu überlassen. Ich werde in die Jermyn Street kommen, wenn ich Euch sprechen muss.»
    «Wenn Ihr es für nötig haltet, Mylord», sagte Newton mit einer höflichen Verbeugung. «Wir werden tun, was Ihr sagt.»
    Der Friede von Rijswijk, der den Krieg beendete, wurde am sechzehnten September von der London Gazette verkündet und am zwanzigsten offiziell geschlossen. Im Monat vor dem Friedensschluss und in den Wochen danach entspannte sich die
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    Situation in der Münze etwas, da die Unterzeichnung des Friedensvertrages die Finanzkrise, welche das Land vor allem des fehlenden Geldes für die Kriegsführung wegen gefährdet hatte, beträchtlich entschärfte.
    Da ich Newton der Weiterführung der Münzgeschäfte wegen häufig in der Jermyn Street aufsuchen musste, sah ich jetzt auch Miss Barton wieder öfter. Entgegen dem, was Newton gesagt hatte, konnte ich keine Anzeichen dafür erkennen, dass sie noch immer in mich verliebt war. Ihr Verhalten mir gegenüber war höflich, aber kühl. Wobei Newton natürlich keine Veränderung zwischen uns bemerkte, denn er war ja so gut wie blind für das, was sich zwischen Männern und Frauen tat. Zudem war Miss Barton oft außer Hauses, wenn ich auch nicht wusste, wo, da es weder Mrs. Rogers noch Newton selbst für nötig erachteten, mich davon in Kenntnis zu setzen. Mehrmals jedoch waren Miss Barton und Newton auf Halifax' Wohnsitz in Bushey Park zu Gast, während ich mit Mrs. Rogers in der Jermyn Street zurückblieb. Doch trotz Miss Bartons sichtlicher Gleichgültigkeit mir gegenüber war ich von ihr in hohem Maße abgelenkt, was allerdings eine armselige Entschuldigung dafür ist, dass ich die Gefahr, in der Newton schwebte, in einen entlegenen Winkel meines Bewusstseins verbannte und er deswegen beinahe ermordet worden wäre.
    Eines Tages verlockte das für die Jahreszeit ungewöhnlich warme Wetter meinen Herrn und mich, zu Fuß zu gehen, statt wie sonst für die Besorgung unserer Geschäfte die sicherere Kutsche zu wählen. Doch aus welchen Gründen auch immer, fest steht, dass unsere Wachsamkeit nachgelassen hatte. Wir kamen von Whitehall, wo wir Mister Bradley, einen Untersekretär von Lord Fitzharding und Mister Marriott wegen eines von ihnen eingestandenen Betrugs bei der Umwandlung von Schatzkammerscheinen in Sortenzettel befragt hatten und wollten zum Leg, einem Wirtshaus in der King Street, um unsere Aussageprotokolle durchzusehen, als plötzlich zwei mit
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    Degen bewehrte Halunken aus

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