Newtons Schatten
Moment so weibisch, als würde er mit seinem Fächer wedeln, hätte er einen in der kleinen weißen Hand gehalten, was ich im Übrigen genossen hätte, denn ich verspürte plötzlich ein solches Bedürfnis nach Luft, als schnürte mir eine Schlinge den Hals zusammen.
«Euch ist nicht gut», sagte Newton, der mein Unwohlsein bemerkte. «Kommt, ich bringe Euch zur Tür und in
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bekömmlichere Luft.
Fatio? Zieht bei Euren Freunden auf dem Kont inent Erkundigungen über diesen Grafen Gaetano ein und mein Dank ist Euch gewiss.» Und damit half mir Newton hoch, denn ich konnte kaum aufstehen.
Draußen vor dem Kaffeehaus schwankte ich wie ein fauliger Baum, sodass Newton mir seinen Arm bieten musste und während er seine Kutsche heranwinkte, sagte er: «Enttäuscht nicht meine hohe Meinung von Euch, Ellis, indem Ihr irgendetwas Unziemliches in meinem Verhältnis zu Mister Fatio vermutet, denn ich weiß, was andere Männer von ihm denken.
Aber er hat ein gutes Herz und einen exzellenten Verstand und ich habe ihn einst geliebt wie ein Vater den Sohn.»
Ich weiß noch, dass ich ihm lächelnd versicherte, meiner hohen Meinung von ihm könne nichts etwas anhaben. Dann schwanden mir wohl die Sinne.
Newton brachte mich in sein Haus in der Jermyn Street und steckte mich in ein Bett mit Laken aus feinstem weißem Hollandlinnen, damit mich Mrs. Rogers und Miss Barton pflegten, denn mein Unwohlsein hatte sich jetzt zu einem echten Wechselfieber ausgewachsen und ich war so schwach wie ein Wurf neugeborener Kätzchen und so geplagt von Schüttelfrost und Hitze, Kopfschmerz und Ziehen in den Beinen, dass ich mich in allem fühlte, als hätte ich die Pest, nur dass die Beulen fehlten, welche diese schreckliche Seuche kennzeichnen. Doch als das Fieber seinen Höhepunkt überschritten hatte und zurückging und ich sah, wer meine Pflegerin war, da dachte ich, ich sei gestorben und im Himmel gelandet. Denn Miss Barton saß an einem der Fenster und las im Sonnenlicht und ihr Haar war wie Gold und ihre Augen so blau wie Kornblumen und als sie sah, dass ich wach war, lächelte sie, legte unverzüglich ihr Buch weg und nahm meine Hand.
«Wie fühlt Ihr Euch, lieber Tom?», fragte sie, ihren Kosenamen
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für mich benutzend.
«Besser, glaube ich.»
«Ihr hattet das Wechselfieber. Und lagt fast drei Wochen im Delirium.»
«So lange?», hörte ich mich krächzen.
«Ohne die Medizin meines Onkels wärt Ihr gewiss gestorben», erklärte sie. «Denn er war es, der Euch kuriert hat. Kurz nachdem Euch Mister Woston, unser Kutscher, hierher gebracht hatte, ging mein Onkel zu einem Apotheker in Soho und holte Jesuitenrinde und etwas getrocknetes Mädesüß, was er dann beides in einem Mörser zu Pulver zerstieß, weil er gelesen hatte, dass diese Mittel gegen das Wechselfieber nützen könnten. Und das hat sich ja auch bestätigt, denn jetzt haben wir Euch wieder.»
Sie wischte mir die Stirn mit einem feuchten Tuch und half mir dann, ein wenig Bier zu trinken. Ich versuchte mich aufzusetzen, schaffte es aber nicht.
«Ihr müsst still liegen bleiben, denn Ihr seid immer noch sehr schwach, Tom. Ihr müsst Euch meiner und Mrs. Rogers'
bedienen, als seien wir Eure eigenen Hände.»
«Das kann ich nicht zulassen, Miss Barton», protestierte ich.
«Es schickt sich nicht, dass Ihr mich pflegt.»
«Tom», sagte sie lachend. «Ereifert Euch nicht so. Ich bin mit Brüdern aufgewachsen. Ihr braucht Euch nicht zu schämen.»
Es dauerte einige Zeit, bis sich mein Zustand so weit gebessert hatte, dass ich wirklich begriff, was vor sich gegangen war.
Inzwischen war bereits Maria Verkündigung. Aber Newton wollte nichts von meiner Rückkehr in die Münze hören, ehe ich nicht vollständig genesen wäre. Und er beantwortete auch keine meiner Fragen, den Fortgang unserer Ermittlungen betreffend.
Vielmehr brachte er eine schwarze Tafel in mein Zimmer, stellte sie auf eine Malerstaffelei und versuchte gelegentlich, mir mit
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Hilfe eines Stücks Kreide seine Methode der Fluxionen zu erklären. Das war natürlich gut gemeint, aber ich hatte einfach nicht den Kopf dafür und diese mathematischen Vorlesungen stärkten nur meine Entschlossenheit, schnell wieder gesund zu werden, obwohl ich unter Miss Bartons Pflege allen Grund hatte, im Bett liegen zu bleiben und meine Krankheit für einen großen Segen zu halten. Denn sie taufte mich mit ihrer Liebe und ließ mich durch ihre zärtliche Pflege wieder auferstehen.
Wenn ich fieberte, wischte
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