Nexus - Band 1
Kern in nur wenigen Wochen der Isolation überwältigt hatte. Nein - es gab schlicht keine andere Erklärung, warum ein abgehärteter und trainierter Raumfahrer der Grenzwelten innerhalb einer solch kurzen Zeitspanne zu einem manisch-irrationalen Schatten seiner Selbst degenerieren sollte… der sich zudem trotz allem irgendwie die Fähigkeit behielt, sogar Kimberly Taylors wachen Geist mit Versprechungen und Täuschungen zu blenden. Den mit emphatisch-leidenschaftlicher Überzeugungskraft gesegneten, aber dennoch ultimativ vergiftenden Tiraden eines halluzinierenden Wahnsinnigen…
Ja… natürlich. Mit der verbissener Effizienz erzwungener Notwendigkeit kombinierte das lichtschnelle Netzwerk Tom Parkers fließender Neuronen die losen Bruchstücke seiner vorhandenen Informationen, setzte binnen weniger Mikrosekunden Baustein um Baustein zum einzig logischen Konstrukt zusammen, zu dem sie fähig waren. Die fortgesetzte, latente Präsenz ambivalenter Chaotik in Stingers Verhalten… das für einen so nahe an der Brillanz kalkulierenden Verstand völlig untypische Festhalten an nicht mehr als einer Fülle vager Andeutungen - Legenden und Geschichten einer toten Vergangenheit. Dazu Toms nicht enden wollende halluzinative Symptome, seit sie das Grenzland betreten hatten - all dies waren sichere Anzeichen eines chronisch verstärkten, kellerschen Syndroms… eben jenes Sprungtraumas, das schon über Jahrhunderte als einzige Geißel der terranisch bemannten Raumfahrt verblieben war. Es konnte einfach keine andere Erklärung geben. Die ständige, unzureichend abgeschirmte Reise durch ungesicherte, instabile Subraumtunnel… oder aber auch eine kosmische Veränderung eines ohnehin gestörten Gleichgewichts - womöglich dieselben Anomalien, deren schon so viele schwarze Legionäre zum Opfer gefallen waren - und die wohl in Kürze das Schicksal ihrer ehemals unantastbaren Festung am Ende der Welt endgültig besiegeln würden.
Seltsame Zeiten, in der Tat… alter Freund, dachte Tom. Der Krieg um Freihafen… die verdichtete Präsenz des Omikron-Syndikates. All dies mochte wohl tatsächlich im Zeichen von irgend etwas geschehen sein - des Wandels und sterbenden Status quo, der die Kolonien nach den traumatischen Erlebnissen des Krieges in der Unsicherheit eines indifferenten Friedens zurückgelassen hatte… ohne die Gunst der Gewissheit, dass der Zyklus des verhassten Vergangenen nicht Gefahr lief, so plötzlich und unerwartet von Neuem zu beginnen, wie es schon einmal passiert war. Und womöglich hatte nun allein der verzweifelte Wahn zweier gefallener Seelen dazu geführt, dass die rastlos wandernden Augen des Syndikates nach der alles entscheidenden Waffe für ihren ewigen Kreuzzug gegen all das, wofür das Imperium stand, den trügerischen Verheißungen einer Fata Morgana verfallen waren. Aber mehr, dessen war sich Tom nun gewiss, konnte unter dieser Decke aus verschleierten Mysterien und manipulierten Wahrheiten nicht verborgen sein - und wenn es nur alleine deswegen war, weil er sicher sein musste. Weil er fühlte, dass allein die logische Konsequenz strenger Rationalität seinen Geist davor bewahren konnte, demselben Irrsinn anheim zu fallen der nicht nur Samuel Nevalles Denken und Handeln seit je her fest zu bestimmen schien. Für alles andere… sofern es sie gab, würde er eine Antwort finden, wenn die Zeit reif dafür war.
"Du zweifelst."
Die drohende Präsenz einer kaum verhohlenen Anklage lauerte unvermittelt in Stingers halblaut geflüsterter Feststellung, richtete sich auf seinen einstigen Kameraden mit der vibrierenden Intensität einer geladenen Blasterkammer. Durchdringend wie Geschosse, glühend von einer Überzeugung fern jeder Existenz des Zwiespalts, haftete die Fixierung seines Augenpaars auf Tom Parkers noch abwartend und unbewegt von ihren Gedankengängen aufsehender Mimik.
"Ich hätte es wissen müssen. Noch immer streng nach Protokoll, was Parker?" Abfälliger Spott mischte sich in etwas, von dem Tom nicht sagen konnte, ob es tatsächlich so etwas wie ehrliche Enttäuschung war. "Ist das wirklich alles was dich die Flotte gelehrt hat? Nein - nicht einmal du kannst deine Augen vor dem verschließen was hier passiert! Du…"
Stinger sammelte sich mit Hilfe eines deutlichen Impulses bewusster Konzentration, entspannte und zog seine Hände zurück, die noch gerade eben dabei gewesen waren, sich mit bläulich hervortretenden Sehnen in die Kante des Tisches zu graben, als wollten sie sie genauso
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