Nexus - Band 1
wehrte, hatten Toms unermüdlich arbeitende, kognitive Prozesse schon damit begonnen, weit mehr aus diesem Netz unangenehmer Wahrheiten vor ihm zu enthüllen, als er jemals hätte erfahren wollen. Denn es gab keinen Zweifel. Er war es… der einzige, der berüchtigte Abgesandte des großen Imperiums, den das Niemandsland der Kolonien in über fünfzig Jahren gesehen hatte - der verlorene Sohn des Imperators… er wusste Toms Namen, seinen Rang… und womöglich noch viel länger… viel mehr über ihn als er selbst. Stingers Grinsen zog als spöttische, geisterhafte Fata Morgana an seinen Gedanken vorbei. Ein nicht mehr unbekannter Name… so leicht zu verfolgen. Warum… warum zum Teufel hatte er all dies niemals bedacht…
"Admiral… Sir. Was…" Tom Parker hatte niemals zu den Menschen gehört, deren Kehle die Last großer Persönlichkeiten in ihrer Nähe körperlich erdrosselte - doch war in diesem Moment schon alleine das Omen seiner eigenen Gedanken genug, das ihm die Bedeutungen dieses Zusammentreffens auf erdrückende Weise deutlich machte, um Toms Worte so harmlos auseinanderzustreuen wie einen Laserstrahl auf einer energetischen Dispersionsbarriere.
Tiberius Caine. Einer der kleinen Handvoll noch unter der Sphäre des Universums verweilender Menschen, die den Zenit ihrer Zeit hatten überschreiten können, ohne dem unweigerlichen Zugriff des grimmen Schnitters zu verfallen. Nichts in diesen von den Gezeiten mehr als nur eines einzigen Menschenlebens gebrandmarkten, stets unbeweglich in Stein gemeißelten Zügen eines im Vollbesitz seiner Kräfte gealterten Mannes deutete auf die nanitischen Implantate hin, die mittlerweile seinen ganzen Körper mit ihrem Geflecht regenerativer, künstlicher Zelleinheiten durchziehen mussten. Es hieß, dass er gemeinsam mit dem Imperator jung gewesen war, als einfacher Soldat unter dem Banner einer vergangenen Ordnung, sogar noch vor Gründung der NTF, die alles verändern und schließlich die Geburtsstunde des Imperiums der Menschheit markieren sollte. Sein Name, der für viele Terraner den Inbegriff einer Ikone des Heldentums bedeutete - und dennoch gleichzeitig aus weit mehreren Kehlen mit rechtschaffener Abscheu genannt - stand er schließlich stellvertretend für den Mann der sich dem Willen des Imperators widersetzt, und eine blutige Schneise der Zerstörung durch die Kolonialwelten gezogen hatte, die drei großen Piratenclans wie unzählige hunderttausende unschuldige zivile und militärische Opfer gleichermaßen ohne Gnade im orbitalen Feuer ihrer Vernichtung badend… bis zum ersehnten Finalakt eines Krieges, dessen schlussendlicher Blutzoll sich als genauso grausam erwiesen hatte, wie der seiner ganzen restlichen Geschichte. Und nichts, so realisierte Tom, was er fähig wäre dagegen zu unternehmen, konnte Caine davon abhalten dasselbe mit jedem menschlichen Wesen in dieser letzten Enklave zu tun, die seine alten Feinde so lange fähig gewesen waren, vor ihm zu verstecken…
"Major Parker." Caines beherrscht akzentuierte, von distanziert-nüchterner Autorität getragene Stimme schlang sich schleichend um Toms Hals wie ein unsichtbarer, nichttödlicher wie dennoch eisenharter Würgegriff, zwang ihn trotz seines Widerstandes langsam wie unerbittlich dazu mit all seiner Aufmerksamkeit zuzuhören… seine Kameraden und alles was sie betraf für diesen Augenblick schmerzlos zu vergessen. "Ich weiß, dass sie verwirrt sein müssen - aber Zeit ist für uns beide ein knappes Gut, also hören sie mir jetzt genau zu. Es ist ihnen sicherlich mittlerweile klar, in welchen Umständen sie... und ihre Leute sich hier befinden. Sie haben Angst, Soldat… um jeden einzelnen ihrer Kameraden… ich kann es sehen, und halte es in Ehren - mehr noch als ihre bisherigen Verdienste sie mit ihrem Leben zu beschützen."
Kaum weniger gemäßigt wie zuvor, aber mit wachsendem Nachdruck, prägten sich die folgenden Worte des Admirals in Toms Bewusstsein, raubten ihm jede Möglichkeit an ihrer Eindringlichkeit zu zweifeln.
"Aber sie müssen nun loslassen, Soldat. Beenden sie ihre Mission, befreien sie sich von den … Ketten die sie halten - und kommen sie zurück. Ich weiß was mit ihrer Einheit… und zweiten Heimat passiert ist… Major. Das Imperium wird sie nicht noch einmal enttäuschen, darauf gebe ich ihnen mein Wort."
Tom Parker kannte den Inhalt seiner Antwort noch bevor deren einfache, aber entschlossene Fassung gleichermaßen selbstverständlich und frei über seine Lippen
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