Nexus
konnte. Man war allein in einem Land, in dem jeder wie ein Verrückter umherhüpfte. Ich wollte verehren und anbeten. Ich brauchte Gefährten, die ebenso fühlten. Aber es gab nichts zu verehren und anzubeten, es gab keine Gefährten mit derselben Sinnesart. Es gab nur eine Wildnis von Stahl und Eisen, von Aktien und Schuldverschreibungen, von landwirtschaftlichen Produkten, Spinnereien und Sägewerken, eine Wildnis von Langeweile, sinnlosen Einrichtungen und liebeleerer Liebe ...
18
Ein paar Tage später kam ein Telefonanruf von Mac Gregor.
«Weißt du was, Hen?»
«Nein, was?»
«Sie gibt klein bei. Ganz von allein. Weiß nicht, was über sie gekommen ist. Hast du sie etwa besucht?»
«Nein, ich hatte nicht einmal Gelegenheit, an sie zu denken.»
«Du Schurke! Aber du hast mir trotzdem Glück gebracht, oder vielmehr deine Bilder brachten es zuwege. Ja, diese japanischen Drucke, die du an der Wand hängen hast. Ich kaufte ein paar, ließ sie schön einrahmen und schickte sie ihr. Am nächsten Tag rief sie mich an und sagte, so etwas hätte sie schon immer haben wollen. Ich teilte ihr mit, die Anregung dazu sei von dir gekommen. Sie spitzte die Ohren, war wohl überrascht, daß ich einen Freund hatte, der sich was aus Kunst machte. Jetzt will sie dich natürlich kennenlernen. Ich sagte, du hättest sehr viel zu tun, aber ich würde dich anrufen und dich fragen, ob wir mal an einem Abend zu dir kommen könnten. Sonderbares Ding, was? Jedenfalls hast du jetzt Gelegenheit, eine Lanze für mich einzulegen. Streu möglichst viele Bücher umher, weißt du, solche, wie ich sie nicht lese. Sie ist Lehrerin, vergiß das nicht. Bücher bedeuten etwas für sie . . . Nun, was sagst du jetzt? Bist du nicht überglücklich? Sag doch was!»
«Ja, eine wunderbare Sache. Sei auf der Hut, sonst bist du bald wieder verheiratet.»
«Nichts könnte mich glücklicher machen. Aber ich muß langsam vorgehen, bei ihr kann man nichts überstürzen. Man bringt sie nur allmählich von der Stelle, es ist, als müßte man eine Mauer Schritt für Schritt weiterschieben.»
Eine kleine Pause. Dann: «Bist du noch am Apparat?»
«Ja, warum?»
«Du mußt mich ein bißchen aufpulvern, bevor ich komme ... das heißt, bevor ich mit Guelda komme. Nur ein paar Fakten über Maler und Malerei. Du kennst mich, ich habe mich nie um das Zeug gekümmert. Was hat es zum Beispiel mit Breughel auf sich, Hen? Gehört er zu den Großen? Ich habe schon was von ihm gesehen, in Kunstläden und Buchhandlungen. Ich glaube, es ist das Bild, das du hast, das mit dem pflügenden Bauer, oben auf einer Klippe . . . und etwas fällt vom Himmel. Womöglich ein Mensch, direkt aufs Meer zu. Wie heißt das Bild?»
«Der Flug des Ikarus.»
«Des . . . was?»
«Ikarus . Der Kunde, der zur Sonne fliegen wollte, aber die Flügel schmolzen. Schon mal was davon gehört?»
«Doch, doch. So, so. Ich glaube, ich komme besser noch mal vorbei und schaue mir die Bilder noch mal an. Du kannst mir ein paar Tips geben. Ich will nicht wie ein Tölpel dastehen, wenn sie anfängt, von Kunst zu reden.»
«Okay», sagte ich. «Jederzeit. Aber denk dran: lange aufhalten kannst du mich nicht.»
«Bevor du einhängst, Hen - sag mir bitte den Titel eines Buches, das ich ihr schenken könnte. Keine Sauerei natürlich — etwas Poetisches. Fällt dir rasch eins ein?»
«Ja, gerade das richtige für sie: Green Mansions von W. H. Hudson. Es wird ihr sicher gefallen.»
«Meinst du?»
«Aber sicher. Lies es zuerst selbst.»
«Würde ich gerne machen, Hen, wenn ich Zeit hätte. Übrigens, die Bücherliste, die du mir vor etwa sieben Jahren mal gegeben hast... weißt du noch? Drei habe ich bis jetzt gelesen. Da kannst du dir vorstellen ...»
«Mit dir ist nichts zu machen.»
«Noch etwas, Hen. Bald sind Ferien. Ich möchte so gerne mit ihr eine Europareise machen. Das heißt, wenn sie mir inzwischen keinen Korb gibt. Was meinst du dazu?»
«Wundervolle Idee! Mach doch gleich eine Hochzeitsreise daraus!»
«Ich wette, es war Mac Gregor», sagte Mona.
«Richtig. Er droht, eines Abends seine Guelda mitzubringen.» «Eine Pest! Sag doch der Wirtin, sie soll sagen, du seiest nicht zu Hause, wenn er das nächste Mal anruft.»
«Das hilft nicht viel. Er würde herkommen, um zu sehen, ob sie lügt. Er kennt mich. Nein, wir sitzen jetzt in der Falle.»
Sie wollte gerade gehen, weil sie eine Verabredung mit Pap hatte. Der Roman war jetzt fast fertig. Pap hielt noch immer große Stücke
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