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Nexus

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Titel: Nexus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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besonders. Der Kälte wegen, sie dringt einem bis ins Mark.»
    «Dann laß uns morgen nach Quebec fahren.»
    Wir aßen in einem englischen Restaurant zu Abend. Schrecklich. Das Essen hatte Ähnlichkeit mit leicht angewärmten schimmeligen Kadavern.
    «In Quebec ist es besser», erklärte Mona. «Wir werden dort in einem französischen Hotel absteigen.»
    In Quebec lag der Schnee hoch aufgetürmt und hartgefroren. Man ging durch die Straßen wie zwischen Eisbergen her. Überall stießen wir auf Scharen von Nonnen oder Priestern. Traurig aussehende Gestalten mit Eis in den Adern. Auch Quebec machte mir keinen Eindruck. Wir hätten ebensogut zum Nordpol fahren können. Dort wäre noch eher eine Ausspannung möglich gewesen.
    Im Hotel jedoch war es behaglich und gemütlich. Und was für Mahlzeiten gab es da! Ich fragte, ob es so in Paris wäre. Ich meinte das Essen. «Noch besser als in Paris», sagte Mona, «oder man müßte dort in erstklassigen Restaurants essen.»
    Gut habe ich die erste Mahlzeit in Erinnerung. Was für eine kostliehe Suppe! Was für ausgezeichnetes Kalbfleisch! Und die Käsesorten erst! Am besten von allem aber waren die Weine.
    Als mir der Kellner die Weinkarte überreichte, war ich verblüfft über die reichliche Auswahl. Ich wußte nicht, welchen Wein ich bestellen sollte und sagte zu dem Kellner: «Suchen Sie uns einen aus, ich verstehe nichts von Weinen.»
    Er nahm die Karte, studierte sie, blickte mich und dann Mona an und danach wieder auf die Karte. Er schien seine ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren, wie jemand, der eine Rennliste durchliest.
    «Ich glaube, Sie sollten am besten Medoc trinken. Es ist ein leichter trockener Bordeaux, der Ihrem Gaumen schmeicheln wird. Wenn er Ihnen gefällt, werden wir morgen ein anderes Gewächs probieren.» Er lächelte wie ein Cherub, als er an die Theke ging.
    Zum Mittagessen schlug er uns einen anderen Wein vor - einen Anjou. Es war ein köstlicher Wein. Bei der nächsten Mahlzeit wurde er durch einen Vouvray abgelöst. Wenn wir zum Abendessen keinen Fisch aßen, tranken wir Rotweine: Pommard, Nuits St-Georges, Clos-Vougeot, Macon, Moulin-à-Vent, Fleurie und andere. Dann und wann schaltete der Kellner ein Chäteau-Gewächs ein, einen lieblichen, würzigen Bordeaux. Er bemühte sich offenbar, mich zum Weinkenner zu erziehen. (Ich dachte mir ein fürstliches Trinkgeld für ihn aus.) Manchmal tat er selbst einen Schluck, um sich über die Güte des Getränks zu vergewissern. Und zu dem Wein machte er auch herrliche Vorschläge für dazu passende Speisen. Wir probierten alles. Alles war köstlich.
    Nach dem Essen setzten wir uns gewöhnlich auf den (geschlossenen) Balkon und spielten bei einem ausgezeichneten Likör oder Cognac Schach. Manchmal setzte sich auch der Hotelpage zu uns und erzählte uns von la douce France . Ab und zu fuhren wir abends, in Pelze und Decken eingehüllt, mit einer Pferdedroschke durch die Stadt. Wir nahmen sogar, um dem Pagen einen Gefallen zu tun, an einer Messe teil.
    Alles in allem hatte ich noch nie einen so geruhsamen und friedlichen Urlaub verbracht. Ich war überrascht, daß Mona ihn so gut aushielt.
    «Ich würde verrückt, wenn ich den Rest meiner Tage hier verbringen müßte», sagte ich schließlich.
    «Es ist hier nicht wie in Frankreich, die Küche ausgenommen.»
    «Es ist auch nicht wie in Amerika», sagte ich.
    «Es ist ein Niemandsland. Die Eskimos sollten es übernehmen.»
    Gegen Ende des Urlaubs — wir waren zehn Tage dort - hatte ich ein brennendes Verlangen, wieder an dem Roman zu arbeiten.
    «Wirst du ihn jetzt schnell fertigmachen?» fragte sie. «Blitzschnell», erwiderte ich. «Schön. Dann könnten wir nach Europa fahren.» «Je eher, desto besser», sagte ich.
    Als wir wieder nach Brooklyn kamen, standen die Bäume in Blüte. Es mußte wenigstens an die zwanzig Grad wärmer sein als in Quebec.
    Mrs. Skolsky begrüßte uns herzlich. «Sie haben mir gefehlt», sagte sie. Sie begleitete uns zu unseren Zimmern. «Oh», sagte sie, «beinahe hätte ich's vergessen. Ihr Freund - Mac Gregor heißt er, nicht wahr? — war eines Abends mit seiner Freundin hier. Er wollte mir zuerst nicht glauben, als ich ihm sagte, Sie wären in Kanada. ‹Unmöglich!› rief er. Dann fragte er, ob er in Ihr Arbeitszimmer gehen könnte. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Er tat, als müßte er es unbedingt seiner Freundin zeigen. ‹Sie können uns vertrauern, sagte er. ‹Ich kenne Henry von Kindesbeinen auf.›

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